Ausgetanzt
herausfordernd.
»Ja ja.«
»Na, ich dachte nur …« Hans schloss die Tür wieder von
draußen.
»Nike, ich weiß, wie ich meinen Job zu machen hab! Und seit
der Entdeckung der Toten sind erst ein paar Stunden vergangen. Die Menschen
sind heut früh arbeiten gegangen. Wir können nicht überall gleichzeitig sein.«
»Ach. Ist ja nur eine tote Frau, was? Eine unbequeme noch
dazu. Kein toter Polizist!«
Jonas strebte von ihr weg. Weg, das wollte er, seit sie sich
erinnern konnte, seit sie einander kennengelernt hatten. Ein Wunder, dass sie
sich überhaupt je berührt hatten. Hemmungslos waren sie einander nahe gekommen,
sogar im Wald, eines lauen Abends … Mit aller Macht schob Berenike die Bilder
beiseite.
»Lass uns unsere Arbeit tun, wenn ich bitten darf.«
»Natürlich.«
Den Rest des Tages war Berenike froh über das
volle Lokal. Sie kochte Tee, bediente, füllte den Geschirrspüler, räumte ihn
aus, konzentrierte sich auf Teesorten und Ziehzeiten, auf den Duft von
Jasmintee und Irish Breakfast, von Erdbeerroiboos und Sencha Vanille. Und dann
war da der Anruf von Amélie: »Eine Frau, Berenike!«
»Amélie, grüß dich. Was ist los? Wovon redest du?«
»Unter Mehmets Handynummer hat sich eine Frau gemeldet. Ich
hab meinen Mann verlangt, da hat sie schnell aufgelegt. Ich bitte dich,
Berenike, schau in Wien nach dem Rechten.«
»Ja, Amélie. Bei mir ist grad die Hölle los, ich meld mich
wieder«, versprach Berenike.
Jetzt war es 20 Uhr vorbei und sie verließ völlig erschöpft
ihren Salon. Die Luft war seltsam warm, drückend und feucht. Kein Windhauch
regte sich, wie ungewöhnlich. Die Blumen draußen im Garten ließen ihre bunten
Köpfe hängen, schwer vom Regen. Hoffentlich schien endlich einmal die Sonne,
sie brauchte frische Kräuter, Augentrost und Frauenmantel vor allem.
Während sie mit dem Motorrad hinauf nach Lichtersberg fuhr,
spürte sie dem Vibrieren unter ihrem Körper nach und dachte an Amélie. Ja, sie
würde nach Wien fahren, sobald sie hier ein paar Dinge geklärt hatte. Zuvor
wollte sie den Zeuginnen jener Nacht von Caros Ermordung ein paar Fragen
stellen. Es hieß, die ersten 48 Stunden seien die wichtigsten, weil die Spur
zum Mörder noch nicht erkaltet sei, das hatte ihr Jonas erklärt. Vielleicht
konnte sie – im Unterschied zur Polizei – einen Vertrauensvorschuss bei den
Frauen geltend machen, wo sie doch seit ein paar Jahren hier lebte. Sie kannte
die meisten weit besser als die Beamten der Mordkommission, die aus dem fernen
Graz eingetrudelt waren. Außerdem ließ die Sache Berenike einfach keine Ruhe.
Sie fühlte sich persönlich betroffen. Bedroht, wie damals. Auch damals hatte
sie sich letztlich selbst geholfen.
Einen Schlafplatz in Wien zu organisieren, galt es auch. Bei
ihren komplizierten Familienverhältnissen war das gar nicht so leicht. Ihre
Eltern waren geschieden, die Mutter gab sich dem Alkohol hin und ihr Vater …
ihm fühlte sie sich nahe, doch Fred Stein hatte selbst mit seinem Trauma zu
kämpfen, als jüdisches Kind die Nazizeit im Untergrund überlebt zu haben.
Dann also Wien. Für ein paar Tage. Einmal nicht an Jonas
denken, der ihr in einem Moment nachrannte, nur um ihr in der nächsten Minute
die kalte Schulter zu zeigen. Sie wusste nicht, woran sie war. Wusste selbst
nicht mehr, was sie empfand. Mordermittlung hin oder her. Als ob sie ein Newbie
in Sachen unnatürlicher Tod wäre.
Ja, sie würde in die Hauptstadt fahren, die Sache mit einem
Kurzurlaub verbinden. In Gedanken versunken, bemerkte Berenike das grüne Auto
nicht, das ihr bereits den ganzen Weg durch die Nacht folgte, von ihrem Lokal
im Zentrum von Altaussee bis ins still daliegende Lichtersberg.
Sieben
Managertee
Berenike wehrte sich gegen das Aufwachen, doch
etwas kitzelte sie permanent. Sie blinzelte, starrte in große Katzenaugen, auf
herabhängende Barthaare. Kater Spade miaute leise. Marlowe lauerte in kühler
Distanz. Fehlte nur noch Dr. Watson. Einen Moment lang fühlte sich Berenike
frisch, fast so frisch wie sonst. Bis ihr Caro einfiel.
Zumindest hatte sie die zweite Nacht nach Caros Tod
überstanden, auch wenn sie zunächst kaum Schlaf gefunden hatte. Sie war in der
Wohnung hin und her gegangen, bis sogar Frau Gasperl heraufgekommen war und ihr
Baldriantropfen angeboten hatte. Nur mit Mühe ließ sich die ältere Dame
hinauskomplimentieren. Dann war Berenike erschöpft auf die Matratze gesunken
und von einer Sekunde auf die andere weggesackt.
Sie streckte sich, sah
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