Ausgetanzt
seine Familie. Ich hätte diese Eisbergkälte
nicht ertragen. Auf der Bühne können sie sämtliche Gefühle höchst dramatisch in
Szene setzen. Aber privat? Fehlanzeige. Sven war die Ausnahme. Aber dann …«
»Ja?«
»Sven will nicht, dass ich wieder studiere. Ich habe damals
seinetwegen und wegen der Kinder meine Gesangsausbildung aufgegeben. Jetzt will
ich zurück an die Uni. Bildhauerei studieren. Er versteht nicht, dass ich mich
weiterentwickeln will. Mich weiterentwickelt habe. Die Mädchen sind ausgezogen
und ich nehme Privatunterricht. Es könnte sein, dass ich in Wien einen
Studienplatz bekomme. Aber Sven …«
»Ja?«
»Er hat früher alles gemacht. Die Mädchen abgeholt von der
Schule und alles. Aber jetzt …« Ellen starrte ins Nichts. »Einmal hat er mich
sogar hier im Haus eingesperrt, als ich einen Termin bei einem Professor in
Wien hatte. Und so oft ist er einfach nicht da, der Sven.«
»Ich weiß, die Frage ist blöd, aber hat er vielleicht eine
andere?« Eine heikle Frage, sie wusste nicht recht, wie sie die am besten
stellen sollte. Die wirklich wichtigen Lebensanweisungen fanden sich leider nie
im Knigge.
»Woher soll ich das wissen? Das war nie Thema zwischen
uns. Treue ist«, Ellens Blick wanderte durch die Luft, »selbstverständlich, so
haben wir gedacht. Ich zumindest. Bisher.« Sie sah Berenike offen an: »In
letzter Zeit redet er auch so komisch, schwafelt von Bibelversen. Von der
Strafe für Lots Weib und so. Solche Sachen. Was soll ich denn davon halten?«
»Das ist ja widerlich.« Berenike schüttelte den Kopf.
»Und … ähm … Caro? Gesetzt den Fall, er … wäre mit ihr zusammen gewesen?«
Ellen schüttelte den Kopf. »Geh, bitte!« Ein Lachen, das kein
Lachen war, kam ihr über die Lippen. »Was hast eigentlich mit Katharina
geredet?«
»Nichts Besonderes. Wie gut kennst du die Friseurin?«
»Auch nicht besser als du. Wie man sich halt kennt in der
Gegend.«
»Hast du irgendwas bemerkt an dem Messer, das Adi fallen
gelassen hat?«
»Es war einfach ein Messer.«
»Wonach sah es deiner Meinung nach aus?«
Ellen überlegte. Stirnrunzeln. »Worauf willst du hinaus?«
Berenike wartete. Sah Ellen dabei zu, wie sie die Ellbogen
aufstützte, den Kopf in die verschränkten Handflächen legte. Sich mit beiden
Händen die dunklen Haare aus dem Gesicht strich. Ein Silberring blitzte auf.
Plötzlich schlug Ellen sich an die Stirn. »Verflixt, natürlich. Ich war einfach
schon zu lang nicht Haare schneiden! Es sah aus wie ein Rasiermesser, das die
Friseurinnen verwenden!« Sie sah Berenike mit großen Augen an. »Katharina …!«
»Ja, das dachte ich auch. Das Schloss an ihrem Laden war
nicht aufgebrochen, daran erinnere ich mich jetzt wieder. Der Mörder muss einen
Schlüssel gehabt haben. Aber man kann ihr nichts nachweisen. Selbst wenn man
Blutspuren fände.«
»Denk daran, wie Katharina uns angestarrt hat in der Nacht,
als wir Caro fanden. Angst und bange ist mir geworden in ihrer Gegenwart.«
Allzu begierig stürzte sich Ellen auf den Verdacht gegen die Hallstätter
Friseurin.
»Hm«, machte Berenike.
»Katharina ist mit ihrer komischen Art immer so um Sven
herum. Unsere ganze Familie ging früher zu ihr Haare schneiden. Bis Caro mir
gezeigt hat, wie man das selbst machen kann.«
»Du bist nicht ausgerechnet auf sie eifersüchtig?«
»Lächerlich!«, wehrte Ellen sofort heftig ab.
»Du hast selbst so ein Messer da drüben liegen! Weißt sicher,
wo man so was kaufen kann.«
»Berenike, bitte! Spiel hier nicht die Miss Marple. So ein Messer
bekommt man überall. Jeder kann die Tatwaffe – wenn sie es überhaupt ist –
verloren haben. Und Adi kann sie überall gefunden haben.« Sie seufzte wieder.
»Ich erzähl dir was anderes. Katharina hat sich gern mit Caro gefetzt. Weil die
ihren Laden runtergemacht hat. Und ihre super Friseurinnenehre.«
»Aber deswegen bringt man niemanden um«, erwiderte Berenike.
»Hoffentlich«, antwortete Ellen forsch. »Ich glaub am ehesten
an einen Serienmörder, was meinst du?«
»Keine Ahnung. Wenn ich’s wüsste, wär ich ein Medium. Hat
Sven Caro eigentlich gut gekannt?«
»Sie kannten sich natürlich. Klar. Aber …«
»Bist du eifersüchtig, Ellen?«
»Ich? Wieso? Auf Caro? Geh, bitte, fang nicht wieder von
Affären an.«
»Die Frauen haben doch Anspielungen gemacht, während wir auf Caro
gewartet haben.«
»Ehrlich, Berenike, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sven
ausgerechnet mit Caro ein Verhältnis gehabt haben
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