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Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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dem Wagen gestiegen und klammerte sich an seinen Messerkoffer, als wäre er das Letzte, was er besaß. Seine Augenbrauen wanderten bis hoch zum Haaransatz und wieder zurück. Dann stellte er den Koffer ab und kam auf mich zu. Aber anstatt mir eine Szene zu machen, lachte er und sagte: »Du blaue Auge, isse blaue Auge. Und diesse Hippie isse plemplem. Un’ jetzt iss musse mir hinliege.«
    »Ja, dann mach das doch«, sagte ich kleinlaut.
    »Wo?! Iss habe keine Wohnung mehr. Heute isse de Erste. Mein Ssache ssind in meine Auto. Ich dachte, isse fahre heute nach Cala Montjoi. Hätte ich gesslafe irgendwo, auf eine Parkeplatze. Aber jetzt iss kann nich mehr Auge aufhalte.«
    »Oh?«, sagte ich. »Doch nicht Barcelona?«
    »Dasse Restaurante El Bulli isse in Cala Montjoi! Dass isse Costa Brava. Joder! Du hasse nich’ geglaubt. Häh?«
    »Danke für die Information. Und wenn ich ehrlich bin, ich glaub es immer noch nicht. Wo steht dein Wagen?«
    »Um die Ecke.«
    »Dann komm mit zu mir. Duschen, ein bisschen hinlegen, du kannst das Sofa haben. Und morgen früh fährst du nach Cala Dingsbums. Du musst nicht mithelfen beim Aufräumen. Du hast genug getan. Mehr als genug. Ich mach das hier schon fertig. Versprochen.«
    »Okay«, sagte er, nahm seinen Koffer in die Rechte und legte seine Linke auf meine Schulter. So schoben wir geschlagen, aber noch lange nicht besiegt vom Hof. An der nächsten Straßenecke stand sein alter Lada-Kombi. Darin war alles untergebracht, was in Raouls Leben von Bedeutung war: ungefähr sechs Regalmeter Bücher übers Kochen, in allen möglichen Sprachen der Welt, und sein Seesack.
    »Hast du keine Möbel?«, fragte ich, als ich ein paar Bücher vom Beifahrersitz nach hinten schaufelte.
    »Möbel!«, er spuckte das Wort verächtlich aus. »Niemand wird’e glucklich mit Möbel! Wasse brauchte’de Menss? Nahrung! Was mache glucklich? Gute Essen! Und fur gute Essen du brauchsse Ideen. Isse ssammele Ideen. In jede Ssprache ...« Er griff hinter sich und zog einen schmalen Band hervor. Auf dem Cover waren Insekten in einer Papiertüte abgebildet und die Titelzeile bestand aus seltsamen Kringeln mit Pünktchen obendrauf. »Dasse Fastfood aus Thailand ... Gerostete Inssekte fur de kleine Hunger!«
    »Aha? Hast du das schon mal ausprobiert?«
    »Naturalment. Un de Hassebinke hatte dasse gegesse!« Raoul lachte und schlug mit der Hand aufs Lenkrad. »Er hatte dasse gegesse und hatte ihm gessmeckt!«
    »Er hat nicht gemerkt, was er gegessen hat?«
    »Nein«, jaulte Raoul vor Vergnügen. »Nixemerker diesse Kai-Uwe ... frittierte, wie ssagte ihr? Maden! Ssiehte aus wie kleine Pommes frites.«
    »Und du hast wirklich einen Job in diesem Superrestaurant?«
    »Ja siche ... iss mache keine Witz mit meine Berufe«, sagte er. »Mache isse nur mit diesse Hippie.«
    Wir gackerten immer noch, als wir vor meiner Wohnungstür standen. Ich drückte die Klinke herunter. Nichts passierte.
    Ich rappelte an der Klinke ... Hinter der Tür hörte ich Doktor Thoma maunzen.
    Hatte Elli endlich das Schloss ausgewechselt? Die Gute – sie hätte es mir wenigstens sagen können. Ich ging durch den Flur nach vorn und klopfte an die Ladentür. Niemand antwortete. Es war abgeschlossen. Also rannte ich die Treppe hinauf und klingelte Sturm. Keine Geräusche, keine Musik, keine Elli.
    Ich ging wieder hinunter und versuchte, einen der Schlüssel vom Schlüsselbund ins Schloss zu bugsieren. Nach ein paar Minuten gab ich es auf und trat vor Wut gegen die Tür.
    Raoul saß auf der Treppe, hielt seinen Seesack und seinen Messerkoffer im Arm und guckte mich fragend an.
    »Ich weiß überhaupt nicht, was hier los ist.« Ich setzte mich neben ihn und drehte mir eine Zigarette. »Vielleicht müssen wir die Tür eintreten?«
    Plötzlich waren Schritte zu hören. Irgendjemand schlurfte durch meine Wohnung. Kettengerassel, ein Schlüssel wurde im Schloss gedreht und die Tür öffnete sich einen Spaltbreit. Eine Frau sagte: »Hallo? Ich kauf nix.«
    Dann klappte die Tür wieder zu.
    »Hey, Moment mal ...« Ich klopfte. »Fiona? Bist du das?«
    »Ja«, kam es von drinnen.
    »Mach auf, du kannst mich doch nicht einfach aussperren! Ich wohne hier.«
    Wieder Kettengerassel. Die Tür wurde aufgerissen. Fiona, die angeblich auf Nimmerwiedersehen in Polen verschwunden war, wickelte ihren blumengemusterten Morgenmantel enger um sich und guckte uns aus verschlafenen Augen an. »Komm morgen wieder. Du kannst deine Sachen und deinen Kater abholen, wenn du

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