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Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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meine Erleichterung gar nicht beschreiben, als die Gesichter von Karin und Peter endlich am Rande der Menschengruppe auftauchten. Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge, die bereitwillig Platz machte. Peter kam auf mich zu und sagte: »Winnie ist auf dem Weg.«
    »Gott sei Dank«, gab ich zurück.
    »Hast du den Toten gefunden?«
    »Ja«, sagte ich mit größter Mühe, denn meine Stimme wollte mir kaum gehorchen. »Vielleicht ... vielleicht sollte mal jemand den Motor vom Grill ...«, abstellen, hatte ich sagen wollen, aber über den Platz her hörte man plötzlich die Stimme von Wolfi. »Gegrillte Ochsenbrust ess ich so gerne ... gut gebraten und ganz kross ... das mag der Ritter und die Deerne ... denen im Mund das Wasser zusammenfloss ...«, sang er aus Leibeskräften, klapperte mit seiner Holzrassel, und die Glöckchen an seinen Schuhen bimmelten dazu.
    Karin schaute sich um. »Wer ist das?«, fragte sie.
    »Der Sohn vom Chef«, sagte ich und schöpfte Hoffnung. »Wo Wolfi ist, kann Günni nicht weit sein.« Ich stand auf und lief Wolfi entgegen. Als er mich sah, winkte er mir zu und klapperte noch heftiger mit seiner Holzrassel.
    »Wolfi kommt helfen«, rief er mir zu.
    »Wo ist denn Günni?«
    »Das ist toll«, sagte ich.
    »Schon da, schon da, schon da ...«
    Ich hielt seine Hand fest, und das Klappern hörte auf. Peter und Karin waren hinter mir hergekommen und stellten sich neben Wolfi, der beim Anblick der Uniformen sofort die Schultern hochzog und sich auf die Unterlippe biss.
    »Wolfi, wie bist du hergekommen?«, fragte ich ihn und versuchte, dabei so normal wie möglich zu klingen.
    »Allein«, sagte er voller Stolz. »Mit der Straßenbahn. Allein.« Er hielt mir seine Fahrkarte entgegen. »Allein. Gekauft. Allein. Gefahren. Allein ...«
    »Schon gut, schon gut. Machst du einen Spaß mit mir?«
    »Nein«, sagte er und hielt mir das Ticket vor die Nase. Ich nickte Karin und Peter zu, die sich diskret im Hintergrund hielten, und inspizierte das Ticket. Es war tatsächlich vor einer halben Stunde abgestempelt. Was sollte ich denn jetzt machen? Wolfi musste schleunigst zurück nach Hause – mit möglichst wenig Aufregung.
    »Ähm ... Wolfi. Wir haben was vergessen. In der Cateringküche. Und ... und ... weißt du was? Der Peter, das ist ein Freund von uns, der fährt dich jetzt mit seinem echten Polizeiauto da hin. Und dann, dann ... kommst du ganz schnell wieder mit dem ... Dings ... zurück ...«
    »Was für ein Dings?«, fragte er.
    »Blasebalg, Wolfi. Der Blasebalg ... für den Grill.«
    »Ja«, sagte er und drehte sich ruckartig zu Peter um. »Du bist Peter und du hast einen Peterwagen. Wir fahren. Ich sage dir, wo ich wohne. Papa braucht den Blasebalg. Und die Maggie vergisst immer alles.«
    »Ja, genau«, sagte ich. »Der Peter fährt dich jetzt schnell nach Hause. Ganz schnell.«
    Peter ließ sich von Wolfi an die Hand nehmen und über den Platz führen.
    »Machst du das Blaulicht an?«, hörte ich Wolfi im Weggehen fragen. Peter nahm seine Dienstmütze ab und nickte. Dann waren sie in der Menge verschwunden.
    »Oh je«, sagte Karin. »Was ist mit dem jungen Mann?«
    »Irgendwie ein bisschen zurückgeblieben ... ich weiß es nicht genau«, antwortete ich.
    »Gefährlich?«
    »Nicht die Bohne.«
    »Ich dachte nur, vielleicht hätte noch jemand mitfahren sollen.«
    »Solange Peter ihn nicht fahren lässt, ist alles okay.«
    »Davon gehe ich mal nicht aus«, sagte Karin und drehte sich zu den Wartenden um. Sie hob beide Arme und rief: »Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit! Bitte gehen Sie alle ins Musikantenzelt. Meine Herrschaften, bitte. Machen Sie den Platz frei. Keiner entfernt sich, bitte alle ins Musikantenzelt. Und Sie ...«, damit zeigte sie auf die beiden Ritter mit ihren Zossen, »binden die Pferde an und kommen auch mit. Maggie, komm. Winnie wird gleich da sein, er war erst kurz hinter Witten und wird die nächste Ausfahrt nehmen. Wird nicht lange dauern.«
    Mehrere Polizisten in Uniform kamen auf den Platz gelaufen und umstellten die Ochsenbraterei. Als sich die Marktleute im Musikantenzelt versammelt hatten, war plötzlich ein hoher Pfeifton zu hören, der ebenso plötzlich wieder erstarb.
    »Gasflasche«, schrie ich. »Die Gasflasche! Die Polizisten ...« Ich rannte zum Ausgang. Im selben Augenblick knallte es infernalisch laut. Ich sah, wie das Ochsenzelt sich aufblähte. Ein paar Sekunden lang sah es so aus, als wollte es abheben, bevor es, wie in Zeitlupe, in sich zusammenfiel.

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