Ausgeträllert (German Edition)
Wassereimer an – vermutlich, um meinen herannahenden hysterischen Anfall im Keim zu ersticken. Winnie nahm ihm den Eimer aus der Hand, schüttelte den Kopf und sagte: »Nicht nötig. Außerdem ist die Dame schon nass genug. Danke für Ihre Hilfe, aber es ist besser, Sie gehen jetzt in die Sparkasse und trinken einen Kaffee. Bitte.«
Murrend zog sich die Löschtruppe zurück.
Winnie guckte den Zwergen hinterher und schüttelte den Kopf. »Sollten das nicht eigentlich sieben sein?«, sagte er.
Karin hatte eine Tasse Kaffee für Winnie herbeigezaubert und ihm einen dreibeinigen Schemel neben meinen gestellt. Er ließ sich darauf nieder. Mein Lachen war nahtlos in ein heftiges Schluchzen übergegangen, und der Kaffee schwappte aus meinem Becher. Winnie klopfte mir auf die Schulter und drückte mich an sich.
»Hey, dein Anzug«, krächzte ich.
»Geht’s wieder?«
»Ja«, schniefte ich wenig überzeugend und wischte mir die Nase mit dem Ärmel meiner Filzjacke ab.
»Okay. Ich schlage vor, Karin bringt dich zu Wilma. Du duscht erst mal, ziehst dir trockene Sachen an und beruhigst dich. Ich arbeite hier den Rest ab, und dann komm ich vorbei und wir reden.«
»Ich will nicht zu Wilma, die hat grad Herrenbesuch, und in der Badewanne schwimmt der Flokati. Ich bleib hier.«
»Bist du sicher?«
»Besorg mir irgendwo noch eine Schachtel Zigaretten, dann ist alles okay.«
»Na gut. Nikolaj wird dich dann später umbringen – und liebe Grüße soll ich ausrichten.«
»Is mir recht. Is mir alles recht«, murmelte ich und kramte in meiner nassen Tasche nach einem Feuerzeug.
»Also, was hast du gesehen?«, fragte Winnie.
»Genug, um für den Rest meines Lebens Vegetarier zu sein.«
»Aha. Und weiter?«
»Mir is schlecht, Winnie.«
»Weiter«, befahl er gnadenlos.
»Da steckt eine Leiche auf einem Grillspieß und ist gar und stellenweise angekokelt. Im ganzen Zelt ist alles kurz und klein geschlagen geworden, vor der Explosion! Und der Kopf von der Leiche liegt in dem Feuerbecken und ist aufgeplatzt wie ein kaputtes Frühstücksei. Ich glaube, der Tote ist mein Chef, Günni Heibuch. Reicht das?«
»Und warum glaubst du das?«
»Weil der Helm so aussieht wie der, den er mir gezeigt hat, als er die Kostüme für uns besorgt hatte. Und vorhin war Wolfi hier, du weißt schon, der Sohn von Günni, der ein bisschen gaga ist. Er ist allein mit der Straßenbahn gekommen ...«
»Okay. Da, wo der Ochse hängen sollte, ist jetzt also eine menschliche Leiche, von der du glaubst, dass es dein Chef ist ... Wo ist der Ochse?«
»Woher soll ich das denn wissen?«, gab ich patzig zur Antwort. Aber im nächsten Augenblick war mir klar, wie berechtigt seine Frage war. So ein großer Kadaver konnte sich doch nicht in Luft auflösen.
»Stimmt«, sagte ich in wesentlich versöhnlicherem Ton. »Wo ist der Ochse?«
Winnie streckte den Arm aus und zeigte in Richtung Luisenstraße. »Wer ist das?«
Ich schaute auf und sah die beiden Ritter auf ihren Pferden herantraben. Den Zossen schien nichts passiert zu sein.
»Der im schwarzen Dress ist Roland vom roten Phoenix und wie der weiße Elbenkönig heißt, weiß ich nicht. Die gehören zur Rittertruppe, die auf dem Boulevard kampiert. Da wäre heute Nachmittag Turnier gewesen. Der schwarze Ritter war praktisch dabei, als ich den Toten gefunden habe.«
»Aha. Und wer noch?«
»Na, irgendwann standen alle vorm Zelt. Alle, die hier rumrennen und Maulaffen feilhalten. Die Zwerge waren die Einzigen, die gelöscht haben.«
Lautes Hupen zerriss die Stille über dem Platz. Die Pferde scheuten, und die beiden Ritter hatten ihre liebe Not. Den weißen hätte es beinahe aus dem Sattel gehoben. Sein Pferd bäumte sich auf, stieg vorne hoch und keilte gleichzeitig hinten aus. Die Hufe trafen den weißen Transporter mit der Aufschrift
Heibuchs Catering&Partyservice
in die Seite. Der Wagen schlingerte und kam endlich zum Stehen. Petra sprang auf der Beifahrerseite aus dem Auto, stolperte und schlug lang auf dem nassen Stroh hin. Dennis stieg auf der Fahrerseite heraus, rannte um den Wagen herum und half seiner Mutter wieder auf.
»Das ist Petra Heibuch und der andere Sohn, Dennis«, sagte ich und hätte alles darum gegeben, Petra jetzt nicht gegenübertreten zu müssen.
»Ich übernehme das«, sagte Winnie zu Karin.
Die beiden Ritter waren abgestiegen, hatten ihre Pferde beruhigt und betrachteten schweigend das Schauspiel. Karin zückte ein Feuerzeug und zündete mir die nächste Zigarette
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