Ausgeträllert (German Edition)
Holzstangen brachen mit lautem Krachen entzwei. Die beiden Pferde der Ritter wieherten, rissen sich in Panik los und schleiften im gestreckten Galopp die halbe Met-Brauerei hinter sich her. Ein Polizist hielt sich die Ohren zu und starrte das zusammengefallene Zelt an; einen anderen hatte die Druckwelle neben den Galgen der Gauklertruppe geschleudert. Der Uniformierte rappelte sich wieder auf und krächzte in sein Funkgerät: »Gasexplosion auf dem Doktor-Ruer-Platz. An alle Einheiten ...«
Der stellvertretende Marktleiter, gefolgt vom gelben Zwerg, rannte an mir vorbei und schrie: »Die Feuerleute an die Wassereimer! Alle anderen begeben sich aus der Gefahrenzone, sofort!«
Dann brüllte er mich an: »Wie viel Gasflaschen sind in dem Ochsenzelt?!«
»Weiß ich doch nicht ...«
»Gas und Strom haben hier nichts zu suchen! Genauso wenig wie ein Motor für den Grill! Wie kam die Gasflasche in Ihr Zelt?!«
»Das ist verdammt noch mal nicht mein Zelt!«, schrie ich. Grimberg wich zwei Schritte vor mir zurück und prallte mit zwei Löschzwergen zusammen, die eben die Plane anhoben und in den Trümmern des Ochsenzeltes verschwanden, bevor jemand sie aufhalten konnte.
»Seid ihr irre?«, rief Grimberg.
»Keine Gefahr, hier sind keine Gasflaschen mehr«, rief einer aus dem Zelt. »Hier hinten auch nicht, aber es kokelt irgendwas ...«
»Hier brennt noch irgendwas ... Scheiße, die Möbel ... Das Feuerbecken ist umgefallen«, schrie plötzlich der andere. »Raus hier! Holt Wasser!«
Grimberg zückte sein Handy und rief die Feuerwehr. Die beiden roten Zwerge kamen unter der Plane hervorgekrabbelt. Drei weitere aus der Truppe halfen ihnen, sich in Sicherheit zu bringen. Karin zerrte mich am Kragen meiner Filzjacke vom Ochsenzelt weg. Ich zählte fünf rote Zwerge und einen gelben, die mit einem sehr modernen Wasserschlauch angerannt kamen. Das Einzige, worüber ich noch nachdenken konnte, war, dass es doch eigentlich sieben Zwerge sein müssten.
Eine Dreiviertelstunde später half die markteigene Löschtruppe der Polizei, die Schaulustigen davon abzuhalten, den Platz zu betreten. Die Feuerwehr hatte die Lage unter Kontrolle, das Zelt war gelöscht, und sie waren schon dabei, die Wasserschläuche wieder einzurollen.
Die Leitung der Sparkasse Bochum hatte auf Geheiß der Polizei die Tore der Hauptstelle geöffnet, und die meisten Marktleute waren dem Aufruf der Beamten gefolgt und hatten sich ins Gebäude begeben, wo Rettungssanitäter dabei waren, sich um die kleineren und größeren Blessuren zu kümmern. Nur die beiden Ritter waren, trotz des Verbotes der Polizei, losgerannt und hatten sich auf die Suche nach ihren Pferden begeben.
Die Feuerwehrleute waren sich darüber einig, dass man von Glück sagen konnte, dass die Gasflasche schon so gut wie leer gewesen war, sonst hätte die Explosion erheblich größeren Schaden angerichtet. Ich saß nass und zitternd vor dem Musikantenzelt auf einem Schemel, klammerte mich an die Packung
Gauloises
, die der schwarze Ritter mir netterweise überlassen hatte, und starrte auf die Reste der Ochsenbraterei. Karin stand neben mir, als hielte sie Wache.
Ein immer lauter werdendes Martinshorn riss mich aus meinen Weltuntergangsgedanken. Ich sprang auf. Im nächsten Augenblick sah ich Winnie Blaschkes alten braunen Saab über den Bürgersteig am Living-Room brettern und auf den Platz rauschen. Die Bremsen quietschten, und er brachte seinen Wagen knapp vor der Mittelalter-Töpferwerkstatt zum Stehen.
Hätte ich nicht gewusst, dass es sich um Winnies Wagen handelte, ich hätte den Mann, der da ausstieg, nicht auf Anhieb erkannt – vermutlich wäre ich hoch erfreut gewesen, Karl Lagerfeldts Topmodel persönlich begrüßen zu dürfen. Karin seufzte, als Winnie näher kam. Der weiße Stehkragen seines Tux-Straight-Hemdes saß perfekt unter der ebenso perfekt sitzenden, eng anliegenden schwarzen Anzugjacke. Winnies Aufzug erregte die Aufmerksamkeit aller, die rund um die Absperrung verharrten. Vereinzelt wurden anerkennende Pfiffe laut.
Einzig Winnies angespannte Miene verriet mir, dass er nicht erfreut war, mit seinem Auftritt am falschen Ort gelandet zu sein. Seine Sommersprossen waren blass und sein blonder Haarschopf in Unordnung geraten. Er baute sich vor mir auf, runzelte die Stirn und sagte: »Kleiner ging wohl nicht, Frau Abendroth.«
Ich fing wie irre an zu lachen und gluckste: »Mit irgendwas musste ich doch Frankfurt toppen.«
Einer der roten Zwerge hob einen halbvollen
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