Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
Vom Netzwerk:
aussieht?!«
    Ich klappte das Handy zusammen und gab es dem schwarzen Ritter zurück, dessen Stiefel eben von einem Zwerg in gelben Strumpfhosen geputzt wurden. Grimberg raufte sich die Haare und guckte sich Hilfe suchend um. Aus dem Zelt wehte eine Barbecue-Brise heraus. Meine Beine gaben nach und ich knallte unsanft auf mein Steißbein, das nur heil blieb, weil acht Lagen Baumwollröcke den Aufprall dämpften. Roland verlor das Gleichgewicht und purzelte beinahe hinterher, weil er versucht hatte, mich auf den Beinen zu halten, während der gelbe Zwerg noch an seinen Stiefeln wienerte.
    Das Marktvolk stand schweigend um mich herum, bis nach ein paar Minuten eine Sirene zu hören war.
    »Sie kommen«, sagte einer aus der Menge. Ich guckte in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, und entdeckte das blonde Gegenstück zum schwarzen Ritter. Ein drittklassiger Legolas kam mit seinem weißen Pferd heran. »Ich hab sie schon gesehen – mehrere Mannschaftswagen. Was ist denn passiert?«
    Gero von Briesenheim trat vor, holte tief Luft und singsangte:
    »Es hat dahingerafft
    den edlen Ochsenbrater Gandalf von der Heilenbuche
.
    Gevatter Tod ihn hat geholt
.
    Zu welcher Stund, wir wissen’s nicht
.
    Dass gar er ist, tat uns die Jungfer kund
    Ach, sprich mein Kind ...
    ein Apfel sich in seinem Mund’ befind?«
    »Und dich holt gleich der Teufel«, blaffte ich den Bierpanscher an und schlug mit dem nassen Tuch nach seinen Beinen. Legolas kniete sich vor mich hin und ließ seine himmelblauen Augen blitzen. »Das muss ja furchtbar für Sie gewesen sein«, sagte er. »Kann ich irgendwas für Sie tun?« Er nestelte ein blütenweißes Taschentuch aus einem Lederbeutel, der an seinem Gürtel hing. »Gewähren Sie mir doch bitte heute Nachmittag die Gunst, beim Turnier das Fräulein meines Herzens ...«
    »Hör auf rumzusülzen«, sagte Roland vom roten Phoenix. »Das hier ist kein Joke von der Festspielleitung.« Er beugte sich ruckartig zum gelben Zwerg hinunter und zischte: »Oder etwa doch?«
    Der gelbe Zwerg schüttelte den Kopf und guckte demonstrativ auf seine Schnabelschuhe.
    Der weiße Ritter reichte mir seine Hand und zog mich auf die Füße.
    »Genau«, hustete ich. »Ich glaube nicht, dass heute noch ein Turnier stattfindet.« Ich ordnete meine Röcke und hätte jetzt nichts lieber gehabt als eine Zigarette. Mein Kostüm war völlig durchnässt, und der Tabak und die Blättchen, die ich in einer Tasche im dritten Unterrock vergraben hatte, auch. Der schwarze Ritter griff in sein Wams und zauberte eine Schachtel
Gauloises
hervor, die er mir in die Hand drückte. Der gelbe Zwerg drängelte sich an ihm vorbei und gab mir Feuer. »Danke«, schniefte ich und nahm einen tiefen Zug.
    Ich warf einen Blick in die Runde und dachte beim Anblick der Szenerie, die sich mir bot, spontan: Fellini, das hättest du auch nicht besser hingekriegt. Legolas und Ivanhoe, Mr. Ed und ein ganzer Käfig voller Narren obendrauf.
    Der Regen ließ allmählich nach, und die ersten Sonnenstrahlen kamen hervor. Die Pagen schleppten eilig ein paar Holzstämme und Strohballen aus dem Musikantenzelt heran. Endlich konnte ich mich auf etwas Trockenes setzen.
    »Machen wir den Markt überhaupt auf?«, fragte einer aus der Truppe.
    Grimberg schaute Hilfe suchend den gelben Zwerg an, der die Schultern zuckte.
    »Wir werden sehen«, sagte der Marktleiter und seufzte. »Ist das Feuer wirklich aus?«
    »Es kommt kaum noch Qualm aus dem Abzug«, sagte Roland. Damit schien die Frage beantwortet zu sein.
    Ich zündete hastig noch eine Zigarette an und versuchte zu verdrängen, was nur ein paar Meter hinter mir über einem fast erloschenen Feuer rotierte: eine gegrillte Menschenleiche. Jemand hatte einen Toten aufgespießt und den Grill angemacht. War er überhaupt tot gewesen, als er aufgespießt wurde? Mein Magen rumorte, jemand drückte mir einen Becher in die Hand und ich erstickte die innere Revolte mit einem großen Schluck Kaffee, der so heiß war, dass er im Hals wehtat.
    Sollte ich Petra Heibuch anrufen und fragen, ob ihre drei Männer zu Hause waren ...?, schoss es mir durch den Kopf. Aber was sollte ich sagen, wenn nicht? Was, wenn einer fehlte? Sie würde doch sofort wissen wollen, warum ich anrief. Was sollte ich ihr dann sagen? Noch war ja nicht klar, ob der Mann auf dem Spieß Heibuch senior war ... War es überhaupt ein Mann? Aber der Helm auf dem Schädel hatte so ausgesehen wie der Helm, der zu Günnis Kostüm gehörte.

Kapitel 5
    Ich kann

Weitere Kostenlose Bücher