Ausgeträllert (German Edition)
Tropfflasche hin. »Nimm dat. Dat sind so Blütentropfen, für’n Notfall. Hat die Carmen Sawatzki mir damals gegeben, als der Herrmanns gestorben is’. Ich weiß zwar nich’, wat dat is’, aber et hilft. Musse nur dran glauben. Mund auf. Oder ich ruf’n Arzt.«
»Und wann wirkt das?«, fragte ich.
»Fast sofort«, sagte Berti. Ich machte den Mund auf, und Berti tröpfelte mir das Zeug auf die Zunge.
»Willze noch’ma Suppe?«
»Nein, danke. Es geht schon.« Ich zündete mir eine Zigarette an, wickelte die Wolldecke fest um mich und setzte mich aufs Sofa.
»Wenn ich dein Magen wär’, würd’ ich bei so vielen Zichten au’ rebellieren. Kannz ma glauben. Wär’ besser, du würdst dat ma sein lassen.«
»Danke Berti, aber ich kann mir immer nur eine Sache nach der anderen abgewöhnen. Nach der Sangria-Orgie im Café Madrid gestern habe ich mir vorgenommen, die nächsten Monate keinen Alkohol mehr zu trinken.«
Oma Berti gab mir keine Antwort, sondern eilte durch die Diele, öffnete die Tür und sagte: »Gut, dass Sie kommen konnten, Herr Matti. Tach Rudi. Nett, euch zu sehen. Kommt rein.«
Ich hatte es gar nicht klopfen hören. Und ehrlich gesagt, wäre mir ein Arzt mit einer Spritze jetzt doch lieber gewesen. Matti, der sich neben mich setzte und einfach meine Hand nahm, war zu viel der Fürsorge. Was den Effekt hatte, dass ich mich am liebsten sofort an seine Schulter geworfen und losgeheult hätte. Das verbot sich von selbst, weil ich mich danach bestimmt besser gefühlt hätte.
Rudi, ungebremst von jedem Gedanken an pietätvolle Zurückhaltung, plapperte drauflos: »Boah … Wahnsinn, Maggie, der totale Wahnsinn. Sag mal, ist der Mann auf dem Spieß wirklich gar wie’n Schnitzel? Ich will alles wissen, bevor wir dahin fahren. Winnie ruft uns an, wenn die so weit sind und die Leiche in die Rechtsmedizin gefahren werden kann. Noch stochert ja der Brandsachverständige in der Asche rum, und der Rechtsmediziner überlegt, wie man das Opfer zu bergen hat – mit oder ohne Spieß. Am besten mit Spieß, hat der gesagt, äh … hat Winnie gesagt … Wir haben auch schon zwei Body-Bags präpariert, und hoffentlich passt das alles in unseren Leichenwagen … Du hast nicht zufällig die Maße von dem Grill? Nich’, dass wir am Ende die Heckklappe offen lassen müssen und’ne rote Fahne raushängen …«
»Rudi! Is gut gezz. Ich mach mal Kaffee, und du kommst am besten sofort mit«, befahl Berti, warf mir die Flasche mit den Notfalltropfen zu und ging in die Küche. Rudi klappte seinen Mund zu und folgte ihr.
»Das tut mir sehr leid für Sie, Frau Margret. Rudi redet manchmal drauflos … Ich hoffe, Sie erholen sich bald wieder von dem Schock«, sagte Matti und drückte dabei meine Hand.
»Schock! Matti, das nennst du einen Schock?!«, mischte Rudi sich aus der Küche ein. »Das ist der Hammerschocker! Der Oberburner. So was erlebt man ja wohl nicht alle Tage, oder? Im Radio haben sie gesagt, dass da sogar noch’ne Gasflasche hochgegangen ist. Das ist ja wie im Film!«
»Rudi, hör sofort auf damit!«, rief ich. Matti ließ meine Hand los und ging mit Riesenschritten in die Küche. Wenn Matti nicht Matti wäre, hätte ich gewettet, dass er Rudi eine Kopfnuss verpasst. Er kam nach ein paar Minuten zurück und setzte sich neben mich. Damit er nicht wieder meine Hand nehmen konnte, schraubte ich umständlich das Fläschchen mit den Notfalltropfen auf, las auf dem Etikett
in alkoholischer Lösung
, befand, dass mir eine alkoholische Lösung trotz der eben erst gelobten Abstinenz sehr entgegenkam, und schüttete mir alles auf einmal in den Mund. Matti nestelte eine Tüte Gummibärchen aus der Jackentasche und bot mir welche an.
Im selben Moment flog die Tür auf. Richie polterte mit meiner großen Reisetasche und meinem Schminkkoffer ins Wohnzimmer und ließ die Sachen fallen, wo er stand. Dann griff er sich aus Mattis Gummibärchentüte eine ganze handvoll und flätzte sich in einen Sessel. »Die Frau Korff hat gesacht, ich soll am Besten mal allet gleich mitnehmen.«
»Was?«, sagte ich.
»Bisse schwer von Kapee? Die hat dich voll abgedissed. Menno! Kann ich ma’ne Zichte von dir?«, nuschelte er mit vollem Mund.
»Nicht in diesem Ton, Richie!«, rief Berti aus der Küche. »Stell die Sachen ordentlich ab, und dann geh nach vorne und bedien’ die Kundschaft.«
»Ja, ja … ich mach ja schon, Frau Blaschke«, rief er, guckte mich auffordernd an und sagte: »Haste jetzt ma’ne Zichte oder
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