Ausgeträllert (German Edition)
war, sagte ich: »Du hast eins vergessen: Was, wenn nicht Britta, also Dolores die Nachtigall schwanger war, sondern Chantalle, also Petra? Vielleicht von einem Herren, der gar nicht auf ihrer Tanzkarte stand, sondern auf der von Dolores? Schon mal darüber nachgedacht?«
Berti zog die Handbremse an und starrte geradeaus.
»Nee«, sagte sie plötzlich, »nee, nee, nee ... wat viel schlimmer wär’... also die Nachtigall war schwanger ... aber sie hat es nicht behalten, weil ... weil ... irgendwas ... weil es ihre Karriere gebremst hätte oder so ...«
»Weil das Kind behindert war.«, vollendete ich spontan ihren Satz.
»Wie kommste gezz dadrauf?«
»Weil der Wolfi behindert ist, deswegen. Was, wenn er gar nicht Petras Sohn ist, sondern Brittas? Hm?! Und wenn wir Drama, Wahnsinn, Terror und Tumult auf die Spitze treiben wollen, dann fragen wir uns auch hier: Wer ist der Vater? Warum hat Petra ihn großgezogen? So, und jetzt ist Schluss mit dem Promiquiz. Ich geh dann mal. Danke für’s Bringen.«
»Wie spät is dat eigentlich?«, sagte sie plötzlich.
»Weiß nicht, gleich halb eins.«
»Du liebe Zeit! Ich muss doch die Carmen und den Herzig vom Flugplatz abholen ... Heidewitzka!«
Berti legte den Rückwärtsgang ein und gab Gas. Während der Wagen an mir vorbeischlidderte, sah ich, wie sie ihr Mobiltelefon ans Ohr hielt. Es war zu hoffen, dass die Schutzengel auf der A 52 nach Düsseldorf noch nicht in die Mittagspause gegangen waren.
Vom Hof aus konnte ich Raoul und Wolfi in der Cateringküche beobachten. Sie waren emsig bei der Arbeit.
Ja, was, wenn Wolfi gar nicht Petras Sohn ist? Hatte Petra das behinderte Kind für ihre Schwägerin großgezogen? Und wie stand es um die Geschwister Heibuch? War Petra der Grund für das Zerwürfnis zwischen Bruder und Schwester? Hatte Petra dafür gesorgt, dass die Familie auseinanderbrach? Das wäre der Familienglucke durchaus zuzutrauen. Altruismus schien ja ihr zweiter Vorname zu sein ... dahinter steckte nicht selten ein ausgemacht manipulativer Charakter, der vorgibt, für alle immer nur das Beste zu wollen. Showbusiness und Familienkrach – altbewährtes Thema. Tausende von Wochenmagazinen auf der Welt verdienten sich damit ihr Geld.
Fragte sich nur, wie das mit dem seltsamen Cateringvertrag für die Nachtigall zusammenpasste? Warum hatte La Rose regelrecht darauf bestanden, dass das Catering von Günni kommen sollte. Weil es kostenlos gewesen wäre? Oder stand es für etwas anderes? Eine Versöhnung zwischen den Geschwistern?
Ich könnte Gudrun fragen, die wusste doch bestimmt ... Und da kam sie wie gerufen aus der Küche. Sie hastete an mir vorbei in Richtung Büro, sah mich und hob abwehrend die Hände, als hätte ich versucht, sie zu schlagen. »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, wimmerte sie.
»Gudrun!«, rief ich.
Sie blieb stehen. Ihre Arme fielen kraftlos herunter und ihr Kinn bebte.
STOPP!, rief meine innere Stimme und drohte mit den Pfoten – DER WINNIE HATS VERBOTEN!
»Wie ... wie geht es Petra?«, fragte ich.
Gudruns Oberkörper zuckte nach vorn. »Beschissen, Mann! Wie denn sonst?!«, wurde ich angeschrien.
»Was ist denn mit dir? Kann ich ...?«
»Petra hat mich rausgeworfen! Gekündigt! Fristlos! Nach zwölf Jahren! Das ist los! Ich hab doch nur gemacht, was Günni mir gesagt hat!«
Sie ging ins Büro und kam nach ein paar Sekunden mit ihrer Handtasche unter dem Arm wieder heraus, spurtete an mir vorbei, setzte sich in ihr Auto und fuhr davon.
Wie es aussah, würde hier gar nichts mehr gerettet werden können. Uns blieb heute nur noch, dafür zu sorgen, einen Abgang in Würde hinzulegen.
Raoul empfing mich in der Küche mit einem rohen Steak in der Hand, das er mir ungefragt aufs lädierte Auge drückte. Dann rückte er mir einen Stuhl zurecht, befahl mir, mich hinzusetzen, und sagte: »Iss freue miss, du bisse tapfer. Ssteak – fünfzehn Minüt. Dann du fangsse an die Auto ssu packe.«
Ich presste das Steak auf mein Auge und sagte: »Ja, Chef.«
Kapitel 20
Die MS-Nachtigall war aufs Glanzvollste herausgeputzt.
Willkommen Dolores La Rose
stand in goldenen Buchstaben auf einem schwarzen, drei Meter langen Transparent, das außen an der Reling angebracht war.
Jorgo und Gustav tauchten auf, als wir mit dem Ausladen des Transporters schon fertig waren. Jorgo trug eine finstere Miene zur Schau, und Gustav machte den Eindruck, als könne er sich nur noch mit letzter Kraft auf den Beinen halten. Als Jorgo mich sah, fuhr er zusammen. Er
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