Ausgeträllert (German Edition)
mit. Das war etwas, das sie von ihrem Bruder unterschied. Wenn Grünni gelacht hatte, waren ihm alle Gesichtszüge entgleist und das ganze Haus hatte gebebt.
Falko Racic zappelte hinter ihrem Rücken herum und zeigte auf uns. Raoul verbeugte sich und wir anderen, vom Spüler bis zum Oberkellner, zogen nach, als hätten wir es geprobt. Die Diva lächelte milde und sagte. »Na, na ... das nenn ich eine Begrüßung.« Dann schritt sie zum Buffet und unterzog es einer eingehenden Begutachtung. Raoul trat vor und begrüßte La Rose mit einer weiteren knappen Verbeugung. »Benvingut. Gestatten: Raoul Masdéu-Canals Sáez de Astorga. Molte de gust.«
La Roses Blick flackerte, ihre Nasenflügel bebten, aber bevor sie etwas sagen konnte, hielt ihr Raoul einen Teller hin, auf dem ein Pastetchen seiner Bestimmung harrte und unter ihrem Blick zu zerbröseln drohte.
»Was ist das?«, sagte sie und drehte sich zu ihrem Manager um.
Der eilte an ihre Seite, lächelte gequält und flüsterte: »Dolores, bitte keine Szene ... bitte ...«
Aus dem Augenwinkel konnte ich Wolfi sehen, der nervös von einem Bein aufs andere tippelte. Dann konnte er nicht mehr an sich halten und rief: »La Rose. Dolores La Rose! Da ist ein Königsberger Klöpschen drin. Königsberger Klopse, klitzeklein. Die haben wir für Sie gemacht. Nur für Sie ...! Soooooo klitzeklitzeklein ...«
La Roses Lächeln wurde zu Stein.
Mittlerweile drängelten sich die Gäste vor dem Eingang, denn die ersten dicken Regentropfen fielen vom Himmel. Die Diva nahm das Pastetchen mit zwei Fingern, kostete, wandte sich den Gästen zu und sagte: »Sie müssen leider wieder gehen. Es ist so köstlich, das möchte ich alles alleine essen.«
Racic lachte befreit auf. Der Kapitän gab die Tür frei, und die Gäste strömten herein. Das Gewusel im Salon nahm kurzfristig chaotische Züge an, aber nach ein paar Minuten hatten alle einen Platz an den Tischen gefunden, die Minifrikadellen machten die Runde, und die MS Nachtigall legte ab.
Der Kapitän sprach ein paar Worte zur Begrüßung, entschuldigte sich für den Regen und verkündete, dass aus diesem Grund die Gäste bitte nicht nach oben aufs Freideck gehen sollten, es bestünde Rutschgefahr. Dann war das Buffet eröffnet. Während das Schiff beidrehte und Fahrt aufnahm, schaute ich aus dem kleinen Bullauge in der Pantry und sah Matti neben Dr. Dr. Herzig am Ufer stehen. Ihre beiden Gestalten wurden immer kleiner. Ich winkte.
»Wem winkst du denn? Sieht doch eh keiner«, sagte Gustav, der mich anrempelte und den Suppentopf auf eine Warmhalteplatte wuchtete. Im letzten Augenblick sah ich, wie Matti zurückwinkte und seine Rose in den See warf.
Raoul hielt uns Kraft seiner Autorität und mithilfe unmissverständlicher Gesten auf Trab, ohne ein Wort sagen zu müssen. Dabei sah er aus, als dirigiere er ein stummes Küchenballett. Die Gäste kauten zufrieden. Ein paar sah ich, die sich schnell die Menükarte einsteckten. Carmen Sawatzki schwebte herbei und sagte: »Also Maggie, ich dachte immer, du kannst nicht kochen.«
»Kann ich auch nicht«, flüsterte ich. »Das ist alles von Raoul ... und warte erst mal ab, wenn du die Suppen probiert hast.«
»Für die nächste Party im Golfclub seid ihr sofort gebucht«, versicherte sie und ließ sich einen frisch gefüllten Teller von mir reichen.
»Warum sind Matti und Herzig an Land geblieben?«, fragte ich, beobachtete aber aus den Augenwinkeln genau, ob Raoul schon nervöse Zuckungen bekam, weil ich mit Carmen redete.
»Na, warum wohl? Die kümmern sich um Rudis Angelegenheiten.«
»Jetzt ...?«
»Ja, wann denn sonst?«
Kaum war Carmen in der Menge verschwunden, kam Wilma ans Buffet geschlendert. »Chapeau, Frau Abendroth«, sagte sie. »Ich hab gehört, was dir gestern Nacht passiert ist. Also, Berti hat es mir erzählt ... und ... und ... ich dachte...«, druckste sie herum.
»Nein«, sagte ich. »Gib dir keine Mühe. Ich bleibe in meiner Absteige. Nicht, dass du dein spontanes Samaritertum nach zwei Tagen wieder bereuen musst.«
»Sei doch nicht so kratzig. Ich hab doch gar kein Angebot gemacht«, sagte Wilma und schob sich eine Pastete in den Mund.
»Aber du wolltest eins machen«, antwortete ich und reichte ihr einen Teller mit Blutwurst-Apfelschnittchen. Wilma nickte und nuschelte mit vollem Mund: »Ja, ich wollte nett zu dir sein.«
»Nicht nötig. Tu mir einen Gefallen: Werd’ fett«
Wilma drehte sich um und stolzierte davon. Vor ihr teilte sich die Menge wie
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