Ausgeträllert (German Edition)
Günni hat auch nichts darüber rausgelassen, dass wir das Catering für seine Schwester machen.«
Winnie hatte sich eine weitere Zeitung aus dem Stapel gefischt und an einer markierten Stelle aufgeschlagen. »Aha ... hör mal:
Chantalle La Rose leidet unter dem Geschwisterstreit
, wird sie hier zitiert. Aber da steht nichts Konkretes ... Warum und wieso jetzt plötzlich ein Streit?«
»’n paar Zeitungen hab ich nicht mehr«, sagte Berti. »Aber wat soll et schon gewesen sein? Wie dat so ist ... In die Jahrgänge vorher, als die La Roses grad ma’ so hoch kamen mitte Karriere, da siehsse immer Bilder von alle drei, selig zusammen. Tja ... Und dann ... Peng! Hat die Petra den Bruder gekricht und’ne Pommesbude und Blagen, nix mehr Diskothekenbesitzer und inne Zeitung – und die Britta, so heißt die nämlich – die Nachtigall, die Karriere. Nur ist die nach ein paar Monaten den Bach runtergegangen. Kennt man ja auch.«
Mir brummte der Schädel – viel zu viele Namen auf einmal. Dolores La Rose ist also Britta Heibuch – die Nachtigall. Chantalle La Rose ist Petra Heibuch, geborene Petra Pawlak, memorierte ich.
»Und was hat das mit dem Fall zu tun?«, fragte ich, »außer, dass man die beiden wegen Pseudonymverschwendung anklagen sollte?«
»Weiß ich nich’«, sagte Berti. »Dat waren mir nur zu viele Zufälle und Zusammenhänge, die dat allet in einem anderen Licht erscheinen lassen.«
Winnie zog sich das frische Hemd über den Kopf und nuschelte: »... oder alles ins Dunkel der griechischen Tragödie tauchen ... Die Geschichte ist lange her, wo soll da der Zusammenhang sein?«
»Ich seh’ schon. Interessiert hier wieder keinen«, sagte Berti und stand auf. »Manche Sachen brauchen Jahre, bisset kracht. Verstehsse?«
»Aber dann«, warf ich ein. »... wenn es um Eifersucht zwischen den beiden Damen ging oder geht, müsste eigentlich eine von den La Roses tot auf dem Grill gehangen haben. Oder?«
Berti bedachte mich mit einem finsteren Blick, und ich verschanzte mich hinter einer Zeitung. Die, die ich vom Stapel genommen hatte, war zwei Jahre nach der Trennung des Gesangsduos herausgekommen. Ich fand einen Artikel mit einem Foto von der Nachtigall, wie sie in einer Bar knutschend am Hals eines Mannes hing.
›Ist das der Neue?‹
fragte das
Goldene Blatt
, wusste aber auch keine Antwort, außer dass aus dem Umfeld der Sängerin kein Kommentar zu holen gewesen war. Stattdessen gab es ein paar Gerüchte über das Karriere-Aus der Nachtigall und ihre peinlichen Auftritte in fast leeren Veranstaltungshallen in der Provinz und noch peinlicheren Auftritten in Bars und Diskotheken. Seinerzeit nannte man das ›wenig damenhaftes Benehmen‹, heute hätte man ihr den Titel ›Partyluder mit Drogenproblem‹ verliehen und wäre damit im Dschungelcamp noch mal groß rausgekommen.
»Tja ... Ich werde Petra Heibuch nach den Zusammenhängen fragen.«
Winnie wirbelte zu mir herum und sagte: »Du wirst das nicht machen!«
Ich legte die Zeitung zusammen und warf sie auf den Stapel zurück. »Ja, ja ... Keine Sorge, ich geh jetzt Reibekuchen braten – mit Raoul und Wolfi. Da wär’ nämlich noch’ne VIP-Party zu schmeißen, Herr Kommissar.«
Ich nahm meine Tasche, zog mir die Jeansjacke an, stopfte noch ein sauberes T-Shirt in den Beutel und hielt die Hand auf. Winnie zückte sein Portemonnaie und legte zwanzig Euro hinein.
»Aber ich kann dich doch fahren«, sagte Berti.
Winnie nahm mir den Geldschein wieder weg und grinste. »Oma hat recht. Das ist viel schneller.«
»Sach ich doch ...« Berti schob mich zur Tür hinaus, aber ich drehte mich noch mal um und sagte: »Eine Sache noch, Winnie ...«
Er runzelte die Stirn.
»Du hast gesagt, ich soll es zuerst dir sagen. Also, ich hatte eben eine Idee: Du musst rausfinden, was an der Geschichte mit der Schwangerschaft dran ist. Geburtenregister und so weiter ... Und was haben deine Finanzmänner rausgefunden ... Und du musst Dolores La Rose verhören ... und diesen Falco Racic!«
»Mach du deinen Job, ich mache meinen«, sagte Winnie, »und tschüss.«
Während der alte Benz die Alleestraße entlangschoss, redete Berti beinahe ununterbrochen. Ohne einmal Luft zu holen, diskutierte sie mit sich selbst verschiedene Theorien der Leidenschaften, mit denen man ganze Jahrgänge von Lore-Romanen hätte füllen können. Kurz vor Wattenscheid-Mitte ging ihr die Puste aus.
Als sie auf dem Hof der Heibuchs bremste und ich erfreut feststellte, dass ich noch am Leben
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