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Ausgewechselt

Ausgewechselt

Titel: Ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Zannoner
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verschwand.
    »Kann ich hier sitzen bleiben?«, hat Jona gefragt und es sich auf deinen Knien bequem gemacht.
    Enrico wollte etwas sagen, aber du warst schon ein Stück nach vorne gerollt. »So lange du willst.« Ihr seid durch den Flur gefahren.
    »Darf ich auch mal lenken?«, hat Jona gefragt und die Hand nach einem Rad ausgestreckt.
    »Dafür müsstest du längere Arme haben, so kannst du nicht mit beiden Händen greifen und die Reifen drehen.«
    Ihr seid ins Wohnzimmer gerollt, deine Eltern waren verschwunden. Du meintest Gisellas unterdrücktes Schluchzen aus dem Badezimmer hören zu können, die dorthin geflüchtet war, um sich zu beruhigen. Enrico stand wahrscheinlich auf dem Balkon und rauchte.
    »Und was machen wir jetzt?«, hat Jona gefragt.
    »Keine Ahnung, ich bin gerade erst nach Hause gekommen.«
    Er ist von deinen Knien gesprungen und hat dich von Kopf bis Fuß gemustert. »Tun deine Beine immer noch weh?«
    Du hast nicht gewusst, was du sagen sollst und nur genickt. Jona hat dich angesehen und glückstrahlend gesagt: »Ich bin so froh, dass du wieder da bist.«
    Dann tauchte Gisella wieder auf, ein etwas gequältes Lächeln auf den Lippen, und dein Bruder hat begeistert gerufen: »Mama, Mama! Darf ich auch so einen Rollstuhl haben?«
    Du bist jetzt an einer Stelle des Parks, wo deine Mutter dich nicht mehr sehen kann, und zum ersten Mal hast du das Gefühl, frei zu sein.
    Du hast dir für die erste Ausfahrt die Mittagszeit ausgesucht, weil um diese Zeit nur wenige Menschen unterwegs sind. Der Park ist wie ausgestorben, die Kinder sind in der Schule, die Erwachsenen bei der Arbeit, nur ein paar alte Leute sind mit ihren Hunden unterwegs. Du hättest den Anblick all dieser Beine nicht ertragen, die spazieren gehen, joggen, Fahrrad fahren, springen und hüpfen, Treppen hinauf- und hinuntersteigen, all die aktiven Menschen, die Sport machen und Spaß dabei haben und sich nicht klarmachen, was für ein Glück sie haben. Du willst nicht ständig daran denken müssen, dass du dich niemals wieder so bewegen können wirst.
    Du rollst langsam und vorsichtig zum Flussufer. Die Uferböschung beginnt wieder grün zu werden und es riecht nach Frühling. Das gelbliche Wasser fließt träge dahin, auf der Oberfläche bilden sich Strudel und Blasen, es reißt kleine dunkle Zweige mit sich, die später in den unergründlichen Tiefen des Flusses verschwinden werden. Wie ist es wohl dort unten, im Bauch des Flusses? Es wäre ganz einfach, nur ein kleiner Ruck und du würdest hineinstürzen. Das Gewicht des Rollstuhls würde dich nach unten ziehen, hinab in den dunklen Schlamm, wo es keine Schmerzen, keine Gedanken und keine Erinnerungen mehr gäbe. Du schließt die Augen und umklammerst mit den Händen die Räder des Rollstuhls, etwas Schwung und du würdest die Böschung hinunterrollen, wie ein großer, runder Stein. Jetzt nur noch die Augen fest zukneifen, tief durchatmen, und … – doch die Hände versagen ihren Dienst. Du wirfst den Kopf in den Nacken, stößt die Luft aus und reißt die Augen wieder auf. Du blickst in die unendliche Weite des strahlend blauen Firmaments, es ist, als würde der Himmel durch die Augen in dich hineinfließen, in dein Gehirn eindringen und bis in deine Fußspitzen gleiten. Und plötzlich spürst du deine Beine. Dein Herz beginnt zu rasen, während du denkst, dass man unter einem solchen Himmel nicht sterben kann. Du darfst nicht sterben, weil deine Mutter den Verstand verlieren würde, weil dein Bruder traurig wäre und die Menschen, die dich lieben, ein bisschen mit dir sterben würden. Und du darfst nicht sterben, weil der Himmel so überwältigend und wunderschön ist und weil unter einem solchen Himmel alles möglich ist. Du darfst nicht sterben, weil du noch ein ganzes Leben vor dir hast, mit so vielen schönen Dingen, und in ein paar Stunden wird Viola bei dir klingeln und dir die Hausaufgaben bringen. Und außerdem: In einem schlammigen Fluss ertrinken – willst du dir das wirklich antun?
    Gisella findet dich am Flussufer, es hat ihr keine Ruhe gelassen, ihr Gespür hat sie bis zu dieser Stelle geführt.
    »Leo!« Sie kann kaum sprechen, ist völlig außer Atem, doch sie greift energisch nach den Haltegriffen des Rollstuhls. Sie sieht erschüttert aus, als hätte sie deine Gedanken erraten. Aber du drehst dich zu ihr um, schenkst ihr das strahlendste Lächeln, zu dem du fähig bist, und sagst: »Siehst du sie? Die Enten?«
    Du zeigst nach unten. Sie blickt dorthin und nickt,

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