Ausgewichtelt
war alles fertig, und doch war die Kleinriesin immer noch jung. Was sollte sie nur mit dem Rest ihres Lebens anfangen?
Eine Weile hatte sie sich die Zeit damit vertrieben, den Staalo, der auf den Zauberberg gezogen war, zu beobachten. Durch ihre von außen nicht sichtbaren Höhlenfenster hatte sie den wilden Lauf eines Rentiers mit goldenem Geweih verfolgt und laut gelacht, als der Schlitten, den das Tier zog, umkippte und der Staalo kopfüber im Schnee landete. Aber dann hatte sich irgendein Mann auf das Ren gesetzt und war mit ihm verschwunden, und nun kam dieser gefährlich lockende, süßliche Geruch aus dem Berg des Staalo.
Der Duft war verführerisch, bezaubernd und berauschend. Unwillkürlich streckte die Kleinriesin den ganzen Kopf zur Höhle hinaus. Eine Wolke schob sich vor den vollen Mond. Der süße Geruch zog sie immer noch an. Vielleicht sollte sie sich doch ein wenig die Beine vertreten und sich ein bisschen mehr von dem Duft in die Nüstern saugen.
Die Kleinriesin kroch langsam zwischen den Felsen hindurch, reckte ihre langen Glieder und drehte ihre Hakennase nach dem Wind. Warum sollte sie nicht bis an den Waldrand gehen, wo der herrliche Duft sicher noch intensiver war? Es würde ja niemand merken, denn der Mond war immer noch hinter der Wolke verborgen, und im Wald war es ganz still.
Zu still, wie die Kleinriesin im Nachhinein begriff. Aber in diesem Augenblick nahm sie nur den einladenden Geruch wahr. Komm hervor, komm näher, sagte der Geruch, zögere nicht.
Erst als sich kalte Eisenfesseln um ihre Knöchel und Armgelenke schlossen, schrak die Kleinriesin auf. Sie warf den Kopf in den Nacken, erblickte den Mond, der wieder zum Vorschein gekommen war, und schrie ihre Enttäuschung heraus, doch es war zu spät. Verängstigt schaute sie zu Boden, aber der furchtbare Staalo kam immer näher, packte sie an den Schultern und fesselte ihre dunklen Riesenaugen mit seinem Blick.
Die Kleinriesin wehrte sich lange, versuchte, den Blick auf die Erde zu heften, doch der Staalo verströmte denselben süßlichen Geruch, der sie aus ihrer Höhle gelockt hatte, und nach einer Weile musste sie nachgeben. Tief seufzend fügte sie sich in ihr Schicksal. Sie ließ sich vom Zauberspruch des Staalo durchdringen und wurde allein durch seinen Blick und seine Magie zu seiner demütigen Dienerin.
Der Staalo lachte dröhnend und befahl seinen Trollen, der Kleinriesin die Fesseln abzunehmen. Sie würde ihm auf den Zauberberg folgen, widerstandslos, in den Augen die unnütze Sehnsucht nach etwas anderem. Dem Staalo war es gleichgültig, wonach die Kleinriesin sich sehnte. Er freute sich über die Verstärkung seiner Truppen.
Kapitel 10
W ährend Onni und Oiva sorglos ihre Arbeiten verrichteten, machte die Botschaft der Krähe unter den Wichteln die Runde. Die vergessenen und alleingelassenen Wichtel freuten sich über die Aussicht, richtige Weihnachtswichtel zu werden. Viele von ihnen beschlossen, sich sofort auf den Weg zu machen, wenn der Frost nachließ.
Der strenge Frost bedeutete viel Arbeit für Oiva und die Krähe, die unermüdlich durch die Wälder streiften und den Tieren halfen. Oiva machte sich Sorgen, denn es gab mehr und mehr verletzte und frierende Tiere.
»Hör mal, Weihnachtsmann, ich habe das Gefühl, dass manche Tiere im Wald nicht mehr durchhalten.«
»Oje, das ist schlimm. Bringt sie doch her.«
Der Wichtel sah sich nachdenklich in der Stube um. Schön war sie ja, sie glänzte und roch noch ganz neu, aber als Tierpflegeheim war sie nicht recht geeignet. Wie sollte er das dem Weihnachtsmann beibringen? Da kam ihm Kyksi zu Hilfe.
»Pju! Wir Waldtiere fühlen uns in einer so warmen Stube nicht wohl«, erklärte sie. »Wenn es zu heiß ist, wird das Fell oder das Gefieder so dünn, dass man es draußen nicht mehr aushält. Guck dir doch meinen großen Bruder an: Er hat sich so an die Stubenwärme gewöhnt, dass er draußen entsetzlich friert, sobald er anhält. Deshalb muss er die ganze Zeit in Bewegung bleiben. Ich dagegen bin zur Heldin geboren, ich wohne draußen unter der Traufe und halte dem schlimmsten Frost stand.«
Kyksi hatte natürlich recht – zumindest, was die Wärme betraf. Der Weihnachtsmann überlegte.
»Windschutz und ein Dach über dem Kopf sind wichtig. Die Stube ist zu warm, und in der Sauna ist es auch zu heiß, weil ich sie zweimal in der Woche heize. Aber wie wäre es denn mit dem alten Speicher?«
»Der wäre eine prima Krankenstube«, freute sich Oiva.
»Im neuen
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