Ausgewichtelt
gebogen wurden, doch die Berührung selbst war kaum zu spüren. Es war beinahe so, als ob er eine Wolke streichelte. Atemlos schob er die Finger tiefer in das wunderbar weiche Fell. Nun spürte er das Fell an den Fingerspitzen und traf auch schon auf das dichte Unterfell, das die Körperwärme des Tieres speicherte. Was für ein fantastisches Fell! Vorsichtig vergrub Oiva seine Finger noch tiefer darin. Da spürte er plötzlich einen scharfen Biss, nahm einen weißen Blitz wahr und sah direkt vor seiner Nase eine schwarze Schnauze und zwei wütend funkelnde Knopfaugen. Der Polarfuchs war blitzartig aufgesprungen.
»Mit welchem Recht steckst du deine dicken Finger in mein Fell?«
Oiva schämte sich. Er hatte sich wirklich schlecht benommen. Verlegen pustete er auf seinen schmerzenden Finger, verbeugte sich demütig und sagte: »Entschuldigen Sie, lieber Polarfuchs. Ihr Fell ist so bezaubernd weiß und flauschig, dass ich nicht anders konnte, als es zu streicheln.«
»Das ist mein Fell, und ohne meine Erlaubnis darf es niemand berühren. Wenn du das noch einmal tust, beiße ich dir den Finger ab! Und du wirst auch den Weihnachtsmann um Entschuldigung bitten, denn meines Wissens ist diese Pflegestube eine von ihm geschützte Einrichtung, in der sich alle anständig benehmen müssen. Ganz besonders die Wichtel.«
Oiva erschrak. Was würde der Weihnachtsmann wohl sagen, wenn er von dem Zwischenfall erfuhr? Mit zitternder Unterlippe hörte er sich das wütende Geschimpfe des Polarfuchses an.
»Ich ertrage es nicht, dass jemand mein elegantes Fell berührt. Aber in einem Punkt hast du recht: Mein Fell ist tatsächlich außergewöhnlich schön. Einen so bauschigen Schwanz sieht man nicht oft.«
Der Polarfuchs drehte sich selbstgefällig im Kreis und wedelte hochmütig mit seinem prächtigen Schwanz. Oiva, der den schmerzenden Finger in den Mund gesteckt hatte, seufzte entzückt. Wie schön dieses Tier doch war, und wie herrlich es wäre, wenn es sich doch zähmen ließe und sein Schoßtier würde. Dann könnte er den ganzen Tag lang das flauschige weiße Fell streicheln und sich die klammen Finger wärmen.
Als hätte der Polarfuchs Oivas Gedanken erraten, sprang er auf, sah den Wichtel misstrauisch an, nieste und lief wie der Blitz hinaus.
Oiva folgte ihm mit klopfendem Herzen, sah aber nur noch die schnurgerade Fährte des Tiers im Neuschnee. Sehnsüchtig pustete er über seinen Finger und wandte sich dann den anderen Tieren in der Pflegestube zu.
In der alten Mütze des Weihnachtsmannes lag ein mageres, struppiges Eichhörnchen. Es hob müde den Kopf und gab Oiva die Erlaubnis, seinen Bauch abzutasten.
»Es sieht schon recht gut aus, kleines Eichhörnchen. Dein Bauch ist nicht mehr so geschwollen wie gestern, als wir dich hergebracht haben. Kein Wunder, nach deinem Sturz vom Baum. Nimm deine Medizin, dann bist du bald wieder gesund und kannst zurück in dein Nest in der Fichte.«
Vorsichtig goss Oiva ein wenig Medizin aus einer kleinen bläulichen Flasche auf einen Löffel. Das Eichhörnchen schluckte sie widerspruchslos, seufzte, kuschelte sich tiefer in die Mütze und schlief wieder ein. Auch ein Biber, der versehentlich giftige Wurzeln gefressen hatte, bekam eine Dosis aus der Arzneiflasche. Er setzte sich wimmernd auf, schluckte die Tropfen und ließ sich dann wieder auf sein weiches Lager sinken. Der Wichtel sah sich um und war nun doch zufrieden, dass er es mit freundlichen Tieren zu tun hatte statt mit jähzornigen Polarfüchsen. Der unter Ohrenschmerzen leidende Hase und der Rabe, dem eine Gräte im Hals stecken geblieben war, fühlten sich bereits besser, und das zu stark abgemagerte Bärenjunge schlief tief und fest in der kühlsten Ecke des Raums.
Oiva war pausenlos beschäftigt. Bei Tagesanbruch brachte die Krähe ihm die Nachricht, eine schwer erkältete Schnee-Eule werde bald eintreffen. Gemeinsam befestigten sie einen dicken Ast unter der Decke, auf dem sich die neue Patientin dankbar niederließ. Der Krähenjunge ist ein guter Helfer, dachte Oiva. Die Arbeit ging ihm gut von der Hand, doch als er zum Mittagessen ins Haus ging, war ihm bange. Er hatte Angst vor der Begegnung mit dem Weihnachtsmann, bei dem er sich entschuldigen musste, wie es ihm der Polarfuchs aufgetragen hatte.
Als nun alle am Tisch saßen, bekam Oiva kaum einen Bissen hinunter. Er rührte in seinem Brei und spürte, dass sich seine Wangen schon im Voraus vor Scham und Furcht röteten.
»Was ist denn, Oiva? Schmeckt dir der
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