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Ausgezählt

Ausgezählt

Titel: Ausgezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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»Bulle« nicht übel.
    Nofeney wischte sich mit dem Handrücken über die schweißbedeckte Stirn. Als ich ihm aufmunternd zunickte, lächelte er zaghaft. Es wirkte fast hilfeflehend.
    Für den Ex-Navymann konnten wir hinsichtlich der verfahrenen Situation ein gutes Wort einlegen. Sein Wissen und Können konnten wir gebrauchen. Außerdem stand es uns auf Grund unse rer Sondervollmachten zu, ihm eine kurzfristige Strafaussetzung zu gewähren. Danach mußte sein Fall aber vor einem Berufungsgericht neu verhandelt werden.
    »Hatten Sie mich schon abgeschrieben, mein großer Gönner?« sprach ich ironisch in den Raum.
    Kojastnakow lachte laut und überschwenglich.
    »Aber nein, meine Seele jubelt. Ich habe stundenlang um Ihr Geschick gebangt und viele Tränen vergossen. Wir sehen uns in einer halben Stunde. Ich bin leider unabkömmlich. Sind Sie über mein Fernbleiben sehr betrübt?«
    »Niedergeschmettert, Mr. Kojastnakow. Ich sehne mich selbstverständlich nach Ihrer Gegenwart.«
    Er seufzte jammervoll-beglückt, versicherte mich seines »ewi gen« Wohlwollens und schaltete ab.
    Nero ging. Er feixte wie ein Gassenjunge, räusperte sich überlaut und verbeugte sich devot unter der Tür.
    »Geruhen Euer Gnaden, Euren minderwertigen Diener huldvollst entlassen zu wollen?« fragte er affektiert. »Vielen Dank, Euer Gnaden. Immer zu Diensten bereit.«
    Als er verschwand, wurde mir klar, daß er mit Kojastnakow ein besonderes Vertrauensverhältnis unterhalten mußte. Der Koloß hatte wahrscheinlich längst begriffen, daß ihm ein Könner wie Nero G. Nofeney nützlich sein konnte. Demnach würde er auch den Ausdruck »Bulle« vergessen.
    »In Ordnung, kommen wir zur Sache«, empfing ich Hannibals Telepathiedurchsage. »Du warst sechs Stunden lang weggetreten. Das ist ein bißchen viel. Bei nächster Gelegenheit werde ich dei ne Blutleiteranschlüsse kontrollieren. Kiny erklärte im Auftrag von Dr. Samy Kulot, an der Anschlußstelle eines Blutleiters könnte sich durch die Giftluft im Tauchboot ein kleiner Thrombus gebildet haben und den Durchfluß behindern. Er muß schleunigst aufgelöst werden. Dazu muß ich dir eine Injektion geben, was bei der ständigen Fernbeobachtung schwierig ist. Sieh also zu, daß du dich keinen heftigen Erschütterungen aussetzt. Wenn der Blutpfropfen abreißt, wird es kritisch. Aber das weißt du ja.«
    Das war mir allerdings klar. Die Beherrscher dieser Organisation wollten zwei kerngesunde Aufgestockte aus der Toterlay-Schule haben. Körperliche Schwächen mußten den Einfluß untergraben, den zu erwirken wir erhofften.
    »Nimm eine Mikro-Druckampulle mit Kurznadel«, wies ich Hannibal an. »Eine subkutane Injektion reicht völlig. Drücke mir das Nadel-Führungsstück der Ampulle am besten gegen die Nac kenmuskulatur. Jetzt gleich. Das fällt nicht auf. Los!«
    Er zögerte nur einen Augenblick. Dann beugte er sich wie besorgt über mich, umfaßte meine Schulter und half mir beim Aufstehen. Dabei spürte ich den Einstich.
    Hannibal war schon immer ein geschickter Mann gewesen, auch wenn er sich mit seinem losen Mundwerk und seinem nervenzermürbenden Gebaren alle Mühe gab, es zu verheimlichen. Es gehörte zu seiner kreatürlichen Einsatzmaske.
    In fünf Minuten würde das blutverdünnende Medikament gewirkt und den Thrombus restlos aufgelöst haben. Anschließend würde sich der normale Gerinnungsfaktor meines Blutes wieder einstellen.
    Wenn man mit künstlich gezüchteten, biologisch lebenden Folienmasken in den Einsatz ging, mußte man mit derartigen Komplikationen rechnen. Diesmal hatten wir Glück gehabt.
     
     

7.
     
    Wir bewegten uns in nur einhundertzweiundfünfzig Meter Tiefe, aber das bedeutete hier, am Ende der Welt, viel mehr als in anderen Gewässern.
    Nero hatte einige Erklärungen abgegeben. Die Kaltwasserströmungen waren unerforscht und daher nicht berechenbar. Sie erschwerten oder verzerrten elektronische sowie akustische Unterwasserortungen. Teilweise wurden sie unmöglich, zumal der Salzgehalt ebenfalls stark schwankte.
    Entscheidend war aber das etwa hundert Meter dicke Packeisfeld, das den küstennahen Liegeort des Gigantenschiffs bedeckte. Es reichte viele Meilen in das Südpolare Becken hinaus. Danach kamen mächtige Treibeisfelder, die sich von Stunde zu Stunde verschoben.
    Auf der südlichen Halbkugel war es noch Winter. Entsprechend stark war die Eisbildung. Jedes unserer Jagdboote hätte bei einer Suche nach dem angeblich explodierten und versunkenen Tanker vor

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