Ausgezählt
vielleicht war das der Grund, weshalb sie sofort Freundschaft schlössen. Fred machte sich über das Boxen lustig. Bruno kehrte daraufhin dem TuS Gerresheim den Rücken und vermisste den Sport jahrelang nicht.
Freds Vater war Antiquitätenhändler – die oberen Zehntausend dekorierten ihre Villen mit exotischen Pretiosen, die sie bei Heinz Klee erwarben. Die Familie lebte in einem eigenen Haus – Fred hatte nicht wie Bruno lernen müssen, leise zu sprechen, damit die Nachbarn sich nicht beschwerten. Fred konnte tauchen und hatte einen Segelschein. Er war der Erste in der Klasse, der zur Schule mit dem eigenen Auto vorfuhr, einem fabrikneuen Polo. Sein Vater verwöhnte ihn.
Fred brachte Bruno bei, einen Joint zu bauen. Er zeigte ihm, wie man mit Spezialnadeln Sicherheitsschlösser zerstörungsfrei knacken konnte, und nahm ihn zu Treffen der Sportsfreunde der Sperrtechnik mit. Sie kreuzten durch die Stadt und sprühten Parolen auf die Straßen, in denen verhasste Lehrer wohnten. Oft war Freds hübsche Freundin mit von der Partie gewesen. Wenn Schule und Eltern besonders nervten, schmiedeten sie Pläne, gemeinsam auszuwandern: Karibik oder Südsee.
Im ersten Anlauf kamen sie bis zum Mittelmeer. Nur Fred und er – Karens Eltern hatten es ihr in letzter Minute verboten. Auf der Fahrt zog Fred den um ein Jahr jüngeren Bruno auf, weil er noch ohne Freundin war. Er machte Witze, dass ihn das Boxen impotent gemacht habe. Bruno erklärte, dass ihm keines der Mädchen, mit denen er bislang geknutscht hatte, gut genug gefiel.
»Nicht gut genug zum Poppen?«, fragte Fred verständnislos.
Du hast gut reden, hatte Bruno gedacht. Mit dir poppt die heißeste Braut, die ich kenne.
Eine Woche verbrachten sie am Strand der Camargue und schmorten in der Sonne. In der Nähe des Zeltplatzes von Saintes Maries de la Mer gab es ein Selbstbedienungsrestaurant. Die Entrecotes waren zäh, die Pommes matschig – Bruno und Fred fühlten sich wie Gott in Frankreich.
Sie waren tolle Hechte. Sie quatschten Mädels an, die ohne männliche Begleitung unterwegs waren. In unbeholfenem Sprachenmischmasch diskutierten sie über Gott und die Welt und waren jede Nacht sturzbetrunken.
Am vierten Abend war Bruno an der Reihe, den Aufriss zu machen. Die braun gebrannte Schwarzhaarige zwei Tische weiter war ihm schon tagsüber am Strand aufgefallen. Bruno hatte ihre kleinen Brüste bewundert. Er hatte entdeckt, dass sie Mailers Buch über Alis Fight in Kinshasa auf Französisch las. Ihre Freundin hatte reichlich Speck um die Hüften. Jetzt trug sie Klamotten, die das verbargen. Die beiden stocherten in ihren Pommes und kauten Salat.
Fred folgte Brunos Blick. »Schönheit und Moppel. Mach dich ran, Champion.«
Die Schwarzhaarige riss den Deckel ihres Puddings ab und warf Bruno einen kurzen Blick zu. Er lächelte sie an, aber sie reagierte nicht.
Fred flüsterte: »Moppel ist besser im Bett, da wett ich drauf. Wenn eine nicht so gut aussieht, gibt sie sich mehr Mühe.«
»Kannst du gern haben. Ich nehm die Schöne.«
»Viel Glück!«
So lässig wie möglich schlenderte Bruno hinüber. Er spannte die Muskeln unter dem T-Shirt. Der Pummeligen machte er weis, dass sich sein Kumpel in sie verguckt habe. Fred sei nur zu schüchtern, sie anzusprechen. Nach einer Weile verstanden die Mädels Brunos Kauderwelsch aus Schulenglisch und wenigen Brocken Französisch. Sie waren Studentinnen aus Lille. Die Schönheit hieß Alice und gab sich spröde. Corinne, der Moppel, zwinkerte Fred zu, der sich mit seinem Bier zu Bruno und den Mädels gesellte. Als Corinne einen Arm um die Taille seines Kumpels legte, ahnte Bruno, dass der Abend nicht wie bisher enden würde. Er schätzte seine Chancen bei Alice ein und achtete darauf, dass seine Muskeln zur Geltung kamen.
Vor dem Zelt der Studentinnen leerten sie eine Flasche Rotwein. Corinne knutschte erst mit Fred, dann mit Bruno. Er lenkte das Gespräch auf Ali und sein Comeback gegen den jungen Foreman in Kinshasa. Rumble in the Jungle – der Kampf, über den Mailer geschrieben hatte.
Alice reagierte nicht.
Fred machte sich mal wieder übers Boxen lustig. Bruno änderte die Strategie. Er erklärte, dass er die’Handschuhe an den Nagel gehängt habe – zu primitiv für einen angehenden Starjuristen. Die Schöne ließ auch das kalt.
Sein Freund begann, über Zen und die Kunst des Lock-Pickings zu palavern. Fantasie und Einfühlungsvermögen. Konzentration sämtlicher Sinne. Fred redete davon, wie das Tool
Weitere Kostenlose Bücher