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Ausgezählt

Ausgezählt

Titel: Ausgezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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übertönte das Knirschen der Stepper und die Stampfmusik aus dem angrenzenden Aerobicraum. Hinter dem Tresen sortierte eine falsche Blondine Karteikarten. An ihr blaues Sweatshirt war ein Namensschild geheftet: Elina.
    Bruno hielt ihr den grünen Dienstausweis unter die Nase. Die Trainerin nickte und führte die Kripobeamten zur Herrenumkleide. Hier roch es muffig, keine Möglichkeit zum Lüften. Bruno schob die halb nackten Gaffer zur Seite.
    Überblick verschaffen: In einer Ecke hielten zwei Kerle in blauen Sweatshirts einen Jungen in Schach. Auf der Bank saß ein Mann mit Schwabbelbauch, der ein Handtuch gegen die Nase presste. Sein Unterhemd war voller Blut – offenbar das Opfer.
    Der Dicke erkannte in Bruno und Kästner sofort die Bullen. Er wedelte mit dem verschmierten Handtuch. »Ich erstatte Anzeige!«
    Bruno sah, dass die Oberlippe des Dicken aufgeplatzt war, die Nase geschwollen.
    Der Junge in der Ecke war ein Muskelpaket, sehnig und schlank, kaum älter als zwanzig Jahre. Breitbeinig lauerte der Kerl, die Arme verschränkt, das Kinn vorgereckt. Er trug Sportklamotten, Tattoos auf den Oberarmen, im Ohr einen Stecker. Auffällig waren die lang gezogenen Narben, die auf der rechten Gesichtshälfte Stirn und Wange verunstalteten.
    Bruno hatte das Gefühl, das Narbengesicht schon einmal gesehen zu haben. »Knöpf ihn dir vor«, sagte er zu seinem Partner und wandte sich der Trainerin zu. »Arzt?«
    »Muss gleich da sein.«
    »Nehmen Sie das Arschloch fest!«, keifte der Dicke mit heiserer Stimme.
    Während Kästner den jungen Muskelmann nach seinen Personalien fragte, erkundigte sich Bruno bei dem Verletzten, was passiert sei. Statt zu antworten, stand der Dicke schwankend auf und krakeelte in Richtung des Jungen: »Saubengel! Ich kenn dich! Textilreinigung Lauffer auf der Ackerstraße. Wenn dein Alter wüsste, was du für einer geworden bist!«
    In Brunos Jacke schrillte das Handy. Der Hummelflug von Rimski-Korsakow.
    Der Junge brüllte über Kästners Schulter hinweg: »Halt’s Maul, du Fettsack!«
    Der Dicke ließ nicht locker. »Dir haben die Reinigungsmittel wohl das Hirn verätzt!«
    Bruno kramte nach dem Mobiltelefon, um es abzuschalten.
    Das Narbengesicht schubste Kästner beiseite, stürzte sich auf den Dicken und donnerte ihn gegen die Spindtüren. Noch bevor Bruno das Handy weggesteckt hatte, zog der Junge einen grauen Gegenstand aus der Hosentasche und schleuderte ihn gegen die Schläfe seines Opfers.
    Der Dicke sackte auf die Bank und ließ die Lider flattern.
    Bruno wuchtete dem Schläger die Rechte in den Solarplexus und drehte ihm einen Arm auf den Rücken. Dominanz ausüben – der Junge rang nach Atem, ächzte und krümmte sich.
    Kästner griff ans Holsten Bruno schüttelte den Kopf. Handschellen. Der Junge leistete keinen Widerstand. Der Kahle schob ihn hinaus.
    Der Verletzte hielt sich wimmernd den Kopf.
    Bruno pflückte den kleinen Beutel vom Boden – graues Wildleder, gepolstert und mit Eisenschrot gefüllt. Eine dreifache Naht verband den Sack mit einer Schlaufe.
    Ein Totschläger – damit zählte der Angriff als gefährliche Körperverletzung.
    Bruno sah sich schon wieder als Gegenstand von Vernehmungen und internen Untersuchungen. Er verfluchte sich und den Kollegen, dass sie dem Schläger nicht gleich die Fangeisen angelegt hatten.
    Der Notarzt traf ein und kümmerte sich um den Dicken. Bruno zeigte die Waffe – der Weißkittel bestand darauf, das Opfer zum Röntgen ins Krankenhaus zu bringen.
    Bruno beschloss, den Bericht zu frisieren. Es brauchte keiner zu erfahren, dass er und sein Partner gepennt hatten.
    Um die Gaffer nicht zu enttäuschen, stellte er ein paar Fragen. Ein Muskelprotz mit osteuropäischem Akzent erklärte, dass der Dicke über Politik geschwatzt habe. Daraufhin sei der Junge mit dem vernarbten Gesicht explodiert.
    »Politik? Was meinen Sie damit?«
    »Juden und so.«
    Bruno notierte Namen und Adresse des Tatzeugen. Die Zuschauer sollten einen Eindruck von korrekter Polizeiarbeit bekommen.
    Wenn er den Lederbeutel unterschlug und den Fall zur einfachen Körperverletzung degradierte, würde dem Opfer trotzdem noch Schmerzensgeld zustehen. Ein Kompromiss.
    Nur nicht schon wieder bohrende Fragen: Warum haben Sie es nicht verhindert?
     
    Der Gewitterregen war abgeklungen. Die Staus hatten sich aufgelöst. Den Schläger platzierten sie rechts auf dem Rücksitz. Bruno stieg sicherheitshalber hinter Kästner ein, der den Omega vom Gehsteig schaukelte und in die

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