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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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diesen Jungen Piotr, der Deutsch und Polnisch sprechen.« Drohend hielt sie einen langen Bambusstock hoch und fuchtelte damit herum. Zwar machte sie einen so gutmütigen Eindruck, dass man ihre Drohung nicht recht ernst nehmen konnte, aber sie tat ihr Bestes, um Piotr zu schützen. »Habt verstanden?«
    Piotr hoffte, dass die anderen ihre Worte beherzigen würden. Außer den beiden Schwestern war jetzt nur noch ein einziger Soldat zu ihrer Beaufsichtigung da.
    Den übrigen Tag warteten die Jungen im Schlafsaal; nacheinander wurden sie einzeln herausgerufen, kamen aber dieses Mal nach einer halben Stunde wieder zurück, die meisten jedenfalls.Als der Erste wieder erschien, sahen ihn alle erwartungsvoll an. »Noch mal alles vermessen«, sagte er mit einem verwunderten Achselzucken.
    Während der Wartezeit erhielten sie warmes Essen – Eintopf mit Kartoffeln und Brotpudding mit Mohnsamen. Das Essen war gut, ein Festschmaus verglichen mit den dünnen Suppen und dem altbackenen Brot im Waisenhaus. Piotr fühlte sich allmählich wohler, und seine Stimmung hellte sich ein wenig auf.
    Doch nicht alle Kinder hatten sich beruhigt. Der Junge neben Piotr wiegte sich, die Knie mit den Armen umschlungen, hin und her. Piotr setzte sich an sein Bettende. »Ich glaube, wir brauchen uns keine Sorgen zu machen«, sagte er. »Ist es nicht gut, dass wir nicht die ganze Zeit Kohldampf schieben müssen?«
    »Mir egal, ob sie uns Gołąbki und Piroggen mit goldenen Löffeln essen lassen«, erwiderte der Junge. »Ich will nicht nach Deutschland. Nicht zu diesen Nazi- zboks  …«
    Genau in diesem Moment erschien die junge Schwester in der Tür und rief Piotrs Namen. Sie führte ihn in ein kleines Büro nicht weit vom Schlafsaal. Ihre Hand ruhte leicht auf seiner Schulter. In dem Zimmer wartete der Mann in dem weißen Kittel, der gescherzt hatte, Piotr ähnle dem Jungen auf dem Plakat der Hitlerjugend. Er lächelte Piotr an und bat ihn, sich zu setzen. Auf Deutsch erklärte er ihm, dass für eine wissenschaftliche Untersuchung sein äußeres Erscheinungsbild erfasst werden solle. Er brauche keine Angst zu haben, es sei nichts Schlimmes.
    Auf einmal wurde der Mann von einer herrischen Stimme nach draußen gerufen, sodass Piotr, nun allein gelassen, das Zimmer in Augenschein nehmen konnte. Auf einem Tisch lagen die seltsamen zangenartigen Instrumente, die er schon kannte, und weitere merkwürdige Dinge. Eines war eine Artlanges Federkästchen, das sich an einer der Schmalseiten öffnen ließ und zwanzig künstliche Augäpfel verschiedener Farbschattierungen enthielt. Sie sahen so echt aus, dass Piotr erschauderte.
    Eine weitere lange dünne Blechschachtel enthielt Haarbüschel, nebeneinander angeordnet und von eins bis dreißig durchnummeriert, von Hellblond bis Schwarz. Im Unterschied zu den Augäpfeln waren die Haare echt, und Piotr versuchte sich die Köpfe vorzustellen, von denen sie stammten. Das hellste Büschel muss einem Finnen gehört haben, dachte er – niemand, den er kannte, war derart weißblond. Er überlegte, ob das schwarze Haar von einem Juden stammen könnte – einige seiner jüdischen Freunde hier in Polen hatten sehr dunkles Haar. Auf dem Aufkleber auf dem Deckel stand in schwarzer Frakturschrift:

    An eine der Wände war ein weißes Tuch geheftet, davor stand ein sonderbarer Stuhl mit einer metallenen Nackenstütze und drei gleichmäßig abgestuften Erhöhungen auf der Sitzfläche. Während Piotr noch überlegte, wozu sie dienen könnten, kam der Mann wieder herein.
    Er entschuldigte sich für die Unterbrechung – Piotr war überrascht über seine Höflichkeit. Die Deutschen, die er in Wyszków, seinem Dorf, erlebt hatte, waren den Einwohnern mit unverhohlener Verachtung begegnet. Nicht, dass die Brucks als Polen gegolten hätten. Sie waren kurz nach der Invasion als Volksdeutsche »neu eingestuft« worden. Aber die deutschen Soldaten sprachen mit den Einheimischen auf der Straße stets, als hätten sie es mit Hunden oder Vieh vom Bauernhof zu tun.
    Wieder lächelte der Mann. Aus seiner Ledermappe zog er ein gedrucktes Formular und füllte es penibel aus. Name, Alter, familiärer Hintergrund – all die üblichen Fragen. Dann stufte er anhand der Haarproben und Glasaugen Piotrs blondes Haar, die Augenbrauen und blauen Augen ein und ordnete sie einer Kategorie zu. Anschließend bat er Piotr, sich in die Mitte des Stuhls zu setzen und den Nacken fest an die kalte metallene Stütze zu lehnen. Das war sehr unbequem,

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