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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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sofort ein. Er tat Herrn Kaltenbach gern einen Gefallen. Doch auch ihm gefiel das Ding nicht. Auf dem Weg zum HJ -Treffen versenkte er es in einer Mülltonne.

Kapitel fünfzehn
    Februar 1942
    Einige Wochen später sammelte Peters HJ -Schar eines Abends in einem Mietshaus in der Geisbergstraße für die Winterhilfe. Es handelte sich um ein großes Gebäude aus dem neunzehnten Jahrhundert, dessen Treppenaufgänge und Flure teilweise nach außen hin offen waren. Peter ärgerte sich inzwischen darüber, dass von ihm erwartet wurde, für diese Art »freiwilliger« Arbeit so viel Zeit zu opfern. Lieber hätte er zu Hause gelesen oder in der Bibliothek gelernt. Wenn keiner dabei war, bat er immer auf eine Weise um Geld, die deutlich machte, dass er nichts erwartete. Walter Hertz, sein Scharführer, rügte ihn oft, wenn er mit der geringsten Summe zurückkam. Doch das war Peter egal. In allem Übrigen, was von ihm verlangt wurde, war er gut.
    Die meisten anderen Jungen waren mit ihrer Runde fertig und bereits nach Hause gegangen. Peter hatte noch drei Stockwerke vor sich, als er unten Lärm hörte.
    Vier Geschosse unter ihm entdeckte er im Hof eine kleine Gruppe Hitlerjungen, die er nicht kannte. Sie hatten einen anderen, schäbig gekleideten Jungen umkreist, stießen und traten ihn. »Judenpack! Blutsauger!«, schrien sie. »Was wolltest du stehlen?«
    Er wusste nicht, welcher Teufel ihn da ritt, aber ohne die Folgen zu bedenken, nahm Peter eine Kartoffeltüte voller Müll, die einer der Hausbewohner vor der Tür hatte stehen lassen, undwarf sie auf die Jungen hinunter. Er verfolgte, wie sie auf ihren Köpfen zerplatzte, und rannte dann um sein Leben, als ihre wütenden Schreie durch das Gebäude hallten. Das Mietshaus war ein Labyrinth aus Korridoren und Treppenhäusern, und Peter lief instinktiv treppauf – schließlich, so nahm er an, würden sie davon ausgehen, dass er aus dem Gebäude floh.
    Im sechsten Stock angekommen, klopfte er an die nächstbeste Tür. »Guten Abend«, sagte er zu der alten Dame, die öffnete. »Ich sammle für die Winterhilfe. Dürfte ich Sie um eine Spende bitten?«
    Sie bat ihn herein, und er ergriff seine Chance. Manche alten, allein lebenden Leute unterhielten sich gern ein wenig mit den Jungen, wenn sie sammeln kamen. Die alte Dame bot ihm Lebkuchen an, und Peter blieb eine halbe Stunde bei ihr und ließ sich von ihrem Enkel erzählen, der als Wehrmachtssoldat in Norwegen stationiert war. »Ganz schön abgelegen«, sagte sie. »Da oben passiert überhaupt nichts!«
    Als er sich schließlich verabschiedete, sah sie enttäuscht aus. Die Hitlerjungen waren immer noch im Haus. Aufgebracht patrouillierten sie in ihren verschmutzten Uniformen durch die Gänge. »Entschuldige, Kamerad«, sagte einer. »Hast du hier irgendwas Verdächtiges gesehen? Vor einer halben Stunde wurden wir von einem feigen Judenfreund angegriffen.«
    »Ich habe meine Oma besucht«, sagte Peter. »Aber danke für die Warnung. Ich habe ein scharfes Messer, um mich zu verteidigen.«
    Auf dem Heimweg lachte Peter in sich hinein. Er wusste selbst nicht recht, warum er den Müll geworfen hatte, war aber seltsam stolz auf sich. Doch am folgenden Morgen wurde er schon vor Sonnenaufgang wach und fragte sich besorgt, was siewohl getan hätten, wenn sie ihn erwischt hätten. Beim Frühstück blickte er Traudl an und überlegte, ob sie, wäre sie ein Junge gewesen, auch so einer Clique angehören würde, die Menschen quälte.
    Jetzt, mit vierzehn, war sie von den Jungmädeln in den Bund Deutscher Mädel übergetreten und dort zur Scharflaggenträgerin ernannt worden. Sie nahm ihre Pflichten sehr ernst. An den meisten Abenden, an denen sie nicht für die Winterhilfe sammelte, strickte sie für die Soldaten im Osten Socken und Handschuhe. Sie hatte das mit der Lebensrune versehene Erste-Hilfe-Abzeichen bemerkenswert schnell erworben und bat Charlotte und Peter häufig, an ihnen das Anlegen von Schienen und Verbänden üben zu dürfen.
    Charlotte ließ es zu – es gehörte zu ihren Pflichten, ihre ältere Schwester zu unterstützen –, Peter hingegen fühlte sich stets unwohl, wenn sie an ihm übte. Er fand es zunehmend öde, mit ihr allein zu sein. Während sie an ihm herumhantierte, ließ sie sich endlos darüber aus, wen sie auf der Straße mit »Heil Hitler!« grüßen musste und welche Teile der BDM -Kleidung man auch außerhalb von Zusammenkünften und Paraden tragen durfte.
    Als Peter einige Tage später auf dem Heimweg von

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