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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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Aufsatz zu schreiben zu dem Thema: »Wie hat Adolf Hitler das Vaterland gerettet?«
    »Diese Frage lässt nicht viel Raum für konträre Erörterungen, was?«, meinte Anna. »Ich habe einfach das übliche Zeug von mir gegeben, über Kommunisten und Juden und Versailles. Hat zehn Minuten gedauert. Ich hätte gern mal was Anspruchsvolleres.«
    Peter mochte es sehr, wenn sie so mit ihm sprach. Sie und Segur.
    Eines Tages Anfang April, als die Bäume Knospen triebenund die Sonne sich auf ihren Gesichtern langsam warm anfühlte, lud Anna Peter für den folgenden Dienstag zum Essen zu sich nach Hause ein. Seine Fantasie ging mit ihm durch. Er wusste, dass ihre Eltern nicht da sein würden, das hatte sie ihm erzählt. Frau Reiter war in Falkenburg, wo sie für eine Reportage über die Eliteschulen der Ordensburgen recherchierte, an die man die Besten der Hitlerjugend schickte. Und Oberst Reiter würde zur Berichterstattung ins Führerhauptquartier in Ostpreußen fliegen.
    Den Kaltenbachs erzählte Peter nicht, dass Annas Eltern verreist waren, obwohl sie deswegen wohl kaum Bedenken gehabt hätten. Sie wussten von Anna und hatten diese Freundschaft sehr begrüßt.
    Peter war nervös. Ob sie wohl erwartete, dass er sie küsste? Bisher war ihre Freundschaft nichts weiter gewesen als das – eine Freundschaft. Aber vielleicht wurde jetzt etwas anderes daraus.
    Segur wusste bestimmt Rat. Er hatte mit solchen Dingen offenbar mehr Erfahrung. Doch als Peter auf dem Heimweg von der Schule mit ihm darüber sprach, lief Segur rot an. »Ich bring dich um, wenn du es irgendjemandem erzählst, aber ich habe erst ein einziges Mal ein Mädchen geküsst«, gestand er. »Auf einer Wanderung von HJ und BDM .«
    Als der Tag gekommen war, traf Peter mit einem Strauß selbstgepflückter Blumen und zwei Stück Sahnetorte bei Anna ein. Sie zog ihn rasch herein, damit die Nachbarn ihn nicht sahen. »Frau Brenner«, flüsterte sie und machte eine Kopfbewegung zu der Tür gegenüber. »Sie ist ein solches Klatschweib.«
    Anna stellte ihm eine Limonade hin und fing an, Kartoffeln zu schälen, während sie sich unterhielten – über den Krieg,über ihren Bruder Stefan, der im Ostland Dienst tat, über ihre Freunde, über die Schule. Unverfängliches Geplauder. Während sie kochte, verlor sich Peter in Tagträumen. Da war sie, stand am Fenster mit einer weißen Schürze über dem blauen Kleid, und wendete mit dem Pfannenheber Schnitzel. Der Geruch von gebratenem Schweinefleisch erfüllte die Küche. Ganz plötzlich fühlte er sich sehr erwachsen: Jemand seines Alters bereitete das Abendessen für ihn zu.
    Nach dem Essen setzten sie sich im Wohnzimmer auf Sesseln gegenüber und tranken Kaffee. Peter fragte sich, ob sie darauf wartete, dass er sie küsste. Aber ihm fehlte der Mut.
    »Hören wir ein bisschen Radio«, sagte Anna. »Vielleicht läuft irgendwo gute Musik?«
    Der Volksempfänger stand auf einem kleinen Tisch am Fenster. Anna drehte am Einstellrad und suchte nach einem passenden Sender. Die Nachrichten berichteten über U-Boot-Siege im Atlantik, eine andere Sendung kündigte verstärkte Panzerproduktion an, dann folgte ein Hörspiel … Anna ließ es laufen, und eine Weile verfolgten sie die Geschichte eines Hamburger Mädchens, dessen Vater sie nicht mit einem SS -Mann ausgehen lassen wollte.
    Dann setzte sie sich auf Peters Armlehne und fragte mit leiser Stimme: »Hörst du manchmal BBC ?« Peter erschrak über ihre Unerschrockenheit, aber er war außer sich vor Freude darüber, dass sie ihm so sehr vertraute.
    »Kaltenbach würde mich in die Prinz-Albrecht-Straße bringen, bevor ich wüsste, wie mir geschieht«, erklärte Peter. »Außerdem ist fast immer jemand zu Hause. Frau Kaltenbach oder Elsbeth. Sogar die Mädchen würden mich sofort verraten. Und du?«
    »Sollen wir?«, fragte Anna.
    Jetzt war Peter in Sorge. »Aber wenn die Nachbarn es durch die Wand mitbekommen? Ich bin sicher, einer von ihnen würde dich anzeigen.«
    »Wir stellen es ganz leise und ziehen eine Decke über uns. Dann kann bestimmt nichts passieren!«, sagte Anna. »Mutti und Vati machen das auch. Sie wollen nicht, dass ich es weiß, aber ich habe sie einmal erwischt, als ich nachts aufstand.«
    Anna holte eine Decke von ihrem Bett. Darunter kauerten sie sich aneinander, und sie drehte am Einstellrad. Sie wusste genau, wo sie suchen musste.
    Das ist offensichtlich nicht das erste Mal , dachte Peter. Den Sender zu finden war ziemlich einfach, im Gegensatz zur

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