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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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in der Luft herumwirbelnden Bein getroffen zu werden –, aber sie fanden schnell heraus, wie man sich beim Tanzen Rücken an Rücken reibt und dabei mit den Händen wedelt.
    Ein Pärchen in einer Ecke küsste sich leidenschaftlich. Peter wusste nicht, wo er hinschauen sollte. Da legte Anna die Hände um seinen Hals, und sie küssten sich ebenfalls, mitten auf der Tanzfläche. Peter lief rot an, aber niemand schien es zu bemerken oder sich gar daran zu stören.
    Segur hatte ein Mädchen gefunden, mit dem er sich gerade unterhielt. Sie war zusammen mit einer Freundin gekommen, die irgendwie merkwürdig wirkte. Warum, war ihnen nicht ganz klar, bis sie den Arm des Mädchens sahen. Er war stark behaart und recht muskulös. Das Mädchen war stark geschminkt, aber Peter war sich sicher, Anzeichen von Bartstoppeln zu erkennen. »Sie ist ein er«, sagte Peter zu Anna. Zunächst war er schockiert, aber dann fand er es lustig. Das passte genau hierher. Zu all den anderen Aufmüpfigen in Berlin.
    Sie setzten sich zu Segur und dem Mädchen, das er ihnen als Lotte vorstellte. Prompt gesellte sich ein weiterer Junge dazu. »Swing Heil!«, begrüßte er sie mit einem wegwerfenden Hitlergruß.
    »Das ist Ralfie«, sagte Lotte. »Er hat schon einige Scharmützel hinter sich, nicht?«
    Ralfie erzählte ihnen ohne große Umschweife, was er im Schilde führte. »Ich und meine Kumpels hier, wir wollen die HJ ein bisschen ärgern. Ihnen die Luft aus den Fahrradreifen lassen. Ihre Versammlungsheime kaputtschlagen. Ein paar Parolen an die Mauern malen. Johann und ich ziehen nachher los und sehen mal, welchen Unfug wir anstellen können. Kommt ihr mit?«
    Anna nickte. Peter wusste nicht so recht. Er hatte nicht so viel Gin getrunken wie sie.
    Sie küssten sich erneut. »Komm schon, Peter«, sagte sie atemlos. »Machen wir was Verrücktes. Es ist höchste Zeit, dass wir ein wenig Spaß haben!«
    »Mal sehen«, meinte er vorsichtig. Jemand füllte sein Glas nach.
    »Auf Ex«, sagte Anna, und dann genoss Peter es auf einmal, dass er sich so verwegen fühlte.
    Plötzlich brach die Musik ab. Sämtliche Tänzer drehten sich nach dem Grammofon um. » HJ -Streife«, flüsterte der Junge, der die Musik abgestellt hatte. Bleich vor Angst blickte er zur Tür.

Kapitel achtzehn
    Die Tür zum Keller war verriegelt, und jemand trommelte wütend schreiend von außen dagegen.
    Einer der Veranstalter der Fete trat vor und sprach leise und eindringlich zu den Anwesenden. »Es gibt einen Hinterausgang, der zur Großen Hamburger Straße führt. Hier entlang. Schnell!«
    Alle liefen ihm hinterher und drängten sich durch eine schwere Holztür. Sie führte in einen vollgestellten Durchgang, vorbei an Küchen und Lagerräumen, aus denen es nach ranzigem Fett und gekochtem Kohl stank. So muss es sein, wenn man von Feuer eingeschlossen ist , dachte Peter. Sein Herz raste, aber er empfand trotzdem eine seltsame Ruhe. Anna war direkt hinter ihm und hielt seine Hand. Wenn jemand stolperte, würden die nachfolgenden Leute ihn niedertrampeln.
    Eine schmale Treppe führte hinauf zur Straße, doch es war inzwischen dunkel, und das einzige Licht kam aus der offenen Tür des Raums, den sie eiligst verlassen hatten.
    Sie hörten, wie hinter ihnen Holz splitterte – die Eingangstür zum Keller wurde aufgebrochen. Der Durchgang war voller Leute, die alle schleunigst hinauskommen wollten. Einige der Fetenbesucher befanden sich immer noch in dem Raum. Die Menge hinter Peter drängte jetzt noch stärker vorwärts. Es war fast unmöglich, sich zu bewegen.
    »Macht mir etwas Platz«, sagte der Junge, der sie die Treppe hinaufgeführt hatte. Sie versuchten, die Nachfolgenden zurückzudrängen. Peter hatte das Gefühl, gleich zerquetscht zu werden.
    Der Junge entzündete ein Streichholz. Im Schein der flackernden Flamme griff er nach einem Nagel neben der Tür, an dem an einem roten Band ein Schlüssel hing.
    Ein kurzes Tasten, und die Tür sprang auf. Kalte Herbstluft wehte herein.
    Die Menge strömte in einen verwahrlosten, vom Mondlicht erhellten Hinterhof hinaus. Unkraut wucherte aus dem zerbrochenen Pflaster und den Rissen in den Ziegelmauern. Es gab eine Außentoilette, mehrere Holzkisten, drei überquellende Mülltonnen und eine schmale Holztür. Jemand rüttelte verzweifelt am Griff. Die Tür war verriegelt. Hinter ihnen hörten sie abermals Holz splittern – Tische und Stühle – und Schreie. Diejenigen weiter hinten, die gefasst worden waren, ehe sie ins Freie

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