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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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Kleidung. Mädchen, aufgedonnert wie Nutten. Nur, dass sie keine sind. Zu gut angezogen und ihrem Äußeren nach zu gut betucht. Das sind Swing-Mädchen, nichts anderes! Dieter sagt, sie begrüßen einander mit ›Swing Heil!‹«
    »Nichts wie hin«, sagte Peter. »Ich frage Anna.«
    Zögernd willigte sie ein. »Es klingt gut, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht verhaftet werden.«
    »Das ist kein Tanzlokal«, sagte Peter. »Nur ein Café. Wir können dort mit anderen Leuten herumhängen, die nicht alle hundertprozentige Nazis sind. Und wenn es zu brenzlig wird, verdrücken wir uns einfach wieder.«
    In der Woche darauf zogen die drei los. Ihren Eltern hatten sie erzählt, sie würden für das Winterhilfswerk sammeln gehen.
    Das Lokal nannte sich Café Lebensart und bot eine schöne Auswahl an Kaffee und Kuchen an. Bier oder Wein gab es nicht – zumindest stand das auf der Speisekarte an der Tür. Auf dem Schild darüber war zu lesen: » Der deutsche Gruß lautet Heil Hitler! «
    Obwohl das Café gut besucht war und reges Stimmengewirr herrschte, war die Tür verschlossen. Peter klopfte, erwartete aber nicht, gehört zu werden. Doch ein älterer Mann, klein und untersetzt, öffnete ihnen. Er begrüßte sie mit einem Lächeln, zwinkerte ihnen zu und führte sie an einen Tisch.
    Ein Grammofon hinter dem Tresen begann eine höchst rasante Musik zu spielen. Peter hatte etwas Ähnlichem schon einmal auf BBC gelauscht, doch jetzt hörte er es ohne störendes Rauschen. Die Musik erinnerte ein wenig an die peppigen Tanzkapellen-Lieder, die bei den Wunschprogrammen für Frontsoldaten gespielt wurden. Nur war diese Musik doppelt so schnell und wurde mit viel mehr Leidenschaft gespielt. Saxofone oder Klarinetten unternahmen wilde Ausflüge über die Melodie hinweg, und man konnte unmöglich zuhören, ohne zu grinsen und mit den Beinen zu wippen.
    Der Besitzer, der sie hereingelassen hatte, war ein Italiener namens Bernardo. Er hatte ein wachsames Auge auf alle, die kamen und gingen, und stellte die Musik ab, sobald jemand Neues vor der Tür stand.
    »Was hören wir denn da eigentlich?«, fragte Peter, als Bernardo die Bestellungen aufnahm.
    »Das ist die Trompeten- und Trommelbrigade der Münchner Hitlerjugend«, erwiderte er augenzwinkernd. Ein Junge hinterihm, der die Frage mitbekommen hatte, wandte sich um und sagte: »Benny Goodman. Er ist einfach hot !«
    Hot? Diesen Ausdruck hatte Peter noch nie gehört. Er vermutete, dass er so etwas wie »der Beste« bedeutete. Jedenfalls hatte der Junge es voller Begeisterung gesagt.
    Sie bestellten Kaffee und Kuchen und genossen das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Von da an richteten es die drei so ein, mindestens einmal pro Woche dieses Café zu besuchen. Bald kannte man sie, und eines Tages nahm eines der Mädchen Anna beiseite und erzählte ihr, dass sie im Keller des Café Berta, drüben beim Hackeschen Markt, ein Tanzfest veranstalten wollten.
    Anna berichtete sogleich den beiden anderen davon. »Da müssen wir hin«, sagte Segur. Und an Anna gerichtet: »Vielleicht kannst du für mich ein Mädel mitbringen?«
    Anna schaute zweifelnd drein. »Ist es das wert? Das hier ist ja noch recht harmlos« – dabei deutete sie um sich –, »aber ein Fest, bei dem Swing getanzt wird? … Wir könnten im Gefängnis landen. Überlegt doch mal.«
    Peter fasste sie am Arm. »Nein. Gehen wir hin! Wir kommen jetzt schon eine ganze Weile hierher, und nie hat es irgendwelchen Ärger gegeben. Ach bitte! Gönnen wir uns doch ein bisschen Spaß!«
    Anna war noch nicht völlig überzeugt. Das nächste Mal, als Anna und Peter sich trafen, sagte sie, sie habe ein Geschenk für ihn. »Pack es zu Hause aus, aber nur, wenn dich niemand dabei sieht. Ich habe es in einem Trödelladen erstanden.«
    Es war eine Krawatte, gemustert mit einem Palmblattmotiv in Rot, Gelb und Weiß. Das Muster war unglaublich geschmacklos, und Professor Kaltenbach hätte bei diesem Anblick garantierteinen Schlaganfall erlitten. Es gab in Berlin nur einen einzigen Ort, an dem sich Peter vorstellen konnte, diese Krawatte zu tragen.
    Gehüllt in Mäntel, die sie über die buntesten Kleidungsstücke gezogen hatten, die sich auftreiben ließen, schlichen Peter, Anna und Segur zu dem schäbigen Hinterhof-Café, wo die Fete stattfinden sollte. Segur tat so, als sei er von Anna enttäuscht. »Ich dachte, du findest eine Freundin für mich!«, maulte er.
    Anna erteilte ihm lachend eine Abfuhr. »Ich kenne kein Mädchen mit

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