Ausradiert: Thriller (German Edition)
geöffnete Kofferraumdeckel von Nicks Wagen versperrten ihr die Sicht.
»Nolo hat sich verletzt«, sagte Nick, während er sein Handy herausholte. »Ich rufe einen Rettungswagen. Dann können wir reden.«
»Was verfickt noch mal meinen Sie damit – hat sich verletzt?«
»Ein Unfall, der vorauszusehen war«, erwiderte Nick. Er gab der Leitstelle Sylvia Bondinis Adresse, dann verpflasterte er Nolos Stirn mit Verbandmaterial aus dem Erste-Hilfe-Kasten, der sich ebenfalls im Kofferraum befand. Nolos Brust hob und senkte sich in einem hübschen, stetigen Rhythmus. In den Bergen erklang das Schrillen einer Sirene.
Nick und Sylvia Bondini saßen auf einer Terrasse, die wie ein Ausleger ins Meer hinauszureichen schien. Wenn er direkt nach unten schaute, konnte er zusehen, wie der abfahrende Krankenwagen auf der steilen, kurvigen Straße immer kleiner wurde.
»Ich weiß nicht, warum ich so scheißnett zu Ihnen bin«, sagte Sylvia, während sie sich eine Zigarette anzündete und das Streichholz über die Brüstung schnippte. »Ich habe Freunde. Von der Art, die man nicht zu Besuch haben möchte.« Sie blies eine dicke Rauchsäule in seine Richtung.
»Ich mag Gesellschaft«, sagte Nick.
Sie sah ihn wütend an. »Erzählen Sie es mir noch mal. Nolo hat sich mit seiner eigenen Machete verletzt?«
»Ich fürchte.«
»Schwer zu glauben. Aber dass ein dürrer Typ wie Sie ihn flachgelegt haben soll, ist noch unwahrscheinlicher.« Sie sog den Rauch ein, als hinge ihr Leben davon ab. »Zeigen Sie mir noch mal Ihre sogenannte Zulassung.«
Er reichte sie ihr. Sie setzte eine Lesebrille mit großen herzförmigen Gläsern auf, tippte mit einem spitzen rotlackierten Fingernagel auf das Foto. »Müsste ich Ihren Namen kennen?« Er antwortete nicht. Sie drückte ihre Zigarette auf dem schmiedeeisernen Geländer aus. »Wie haben Sie mich gefunden?«
»Das ist kein Geheimnis«, erwiderte Nick. »Es gibt eine Akte über Sie.«
»Glauben Sie, das würde mir Angst einjagen, irgendeine gottverdammte Akte? Ich habe Vereinbarungen getroffen.«
»Warum Staub aufwirbeln?«, sagte Nick.
»Ist das eine Drohung?«
»Vereinbarungen ändern sich.«
»Was soll das heißen?«
»Alles verändert sich. Zum Beispiel gibt es eine neue Präsidentin.«
»Noch eine Drohung? Ich mag keine Drohungen.«
»Was mögen Sie denn?«
»Hä?«
»Wann würden Sie kooperieren?«
Sonnenlicht schimmerte in den Fingerabdrücken auf ihren Brillengläsern. »Verdammt seltsame Frage. Die hat noch keiner gestellt.« Sie dachte nach, ihre Miene verhärtete sich noch weiter. »Ich kooperiere, wenn es geschäftlich vernünftig ist.«
»Da haben Sie’s«, sagte Nick.
Sie funkelte ihn an. Eine thermische Luftströmung trug den letzten schwachen Klang der Sirene herüber. »Okay«, sagte sie, nahm die Brille ab und warf die Zulassung zurück in seine Richtung. »Was wollen Sie wissen? Beeilen Sie sich.«
»Liza Rummels Aufenthaltsort.«
»Sie arbeitet nicht mehr für mich.«
»Wann hat sie aufgehört?«, fragte Nick.
»Sie schreiben keine Kündigung«, sagte Sylvia. »Sie kommen einfach nicht mehr. Liza ist letzten Monat nicht mehr gekommen.«
»Wissen Sie das genaue Datum?«
»Nein.«
»Können Sie es in Erfahrung bringen?«
»Wenn ich will.«
»Irgendeine Idee, wo sie hin ist?«
»Nein.«
»Oder warum?«
»Sie werden schwanger, sterben an irgendeiner Überdosis, gehen zurück nach Nebraska, finden eine andere Arbeit, was selten vorkommt, oder finden einen reichen Typen, der für sie sorgt, was nie passiert.«
»Und Liza im Besonderen?«
»Suchen Sie sich was aus.«
»Wie lange hat sie für Sie gearbeitet?«
»Ein paar Jahre.«
»Wie gut kannten Sie sie?«
»So gut ich musste.«
»Was können Sie mir über sie erzählen?«
»Sie war zuverlässig.«
»Hat sie mit Ihnen jemals über persönliche Probleme gesprochen?«
»Warum hätte sie das tun sollen?«
Nick lachte. »Irgendeine Vorstellung, warum sie gegangen ist?«
»Nein.«
»Sie ist also eines Tages im September nicht mehr erschienen, und das war es dann.«
»Genau.«
»Was bedeutet, dass sie zu einer Verabredung mit irgendeinem Typen nicht aufgetaucht ist.«
»Das ist die ganze Geschichte.«
»Wer war der Mann?«
Sie zuckte die Achseln; aber sie bemühte sich nicht sehr, überzeugend zu wirken, ihr Blick war nach innen gerichtet.
»Jim McMurray?«, fragte Nick. »Aus Saint Paul?«
Das riss sie aus ihrer Versunkenheit; ihre übliche Verärgerung nahm deren Stelle ein. »Was zum
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