Ausradiert: Thriller (German Edition)
um eine Frau, die für Sie gearbeitet hat.«
»Eins der Dienstmädchen? Die Köchin? Sie kommen und gehen.«
»Nein«, sagte Nick. »Bei Candyland.«
»Candyland?«, fragte sie. »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
Ein paar Meter links von Nick teilten sich die Sträucher. Ein Gärtner erschien – jedenfalls hielt Nick ihn für einen Gärtner –, ein riesiger hemdloser Mann mit rasiertem Schädel, schwellenden Muskeln und einer Machete in jeder Hand. Ein Gärtner, der jemand anders doubelte. Und Nicks Waffe (nicht, dass er sie gebraucht hätte)? Im Safe zu Hause.
22
E s war einer jener Momente, in denen schnell zu denken von Vorteil gewesen wäre, aber Nick konnte überhaupt nicht denken. Sein Kopf schwirrte von goldenen Würfelohrringen und all den Blowjobs, der Handarbeit und Penetration Abhängiger, die das Geld angeschafft hatten, für das Haus, diese Aussicht. Keine Überraschung: Selbstverständlich hatte er sein ganzes erwachsenes Leben lang gewusst, dass die Sexindustrie ausbeuterisch war, aufgebaut auf dem kapitalistischen Prinzip des Ungleichgewichts. Bis heute hatte es ihn nie geärgert oder auch nur besonders gestört. Jetzt war das anders. Er lächelte den Gärtner an, einen braunhäutigen, feindseligen Meister Proper.
»Verletzen Sie sich nicht an den Dingern«, sagte er.
Der Gärtner, einen Augenblick verunsichert, was Nick meinte, schaute auf die Macheten hinab.
»Nolo«, schrie die Frau herunter. »Deshagate de el.«
Nicks Spanisch, das er in seinen Jahren auf Streife gelernt hatte, war nicht schlecht; er war ziemlich sicher, dass deshagate de el »werd ihn los« hieß, aber selbst ein Anfänger hätte aus der Art, wie Nolo sich im Krebsgang mit erhobenen Macheten auf ihn zubewegte, diese Übersetzung erraten können.
Nick, die Augen fest auf Nolo gerichtet, rief zurück. »Es geht um einen Vermisstenfall, Sylvia. Den können Sie nicht loswerden.«
»Darüber werde ich dann nachdenken«, erwiderte sie.
Nolo kam immer näher, irgendwie unbeholfen, aber riesig. Nick hatte schon einige Male in ähnlichen Situationen gesteckt, und es war immer gutgegangen. Aber wie genau? Es gab Tricks, Bewegungen, Taktik. Er konnte sich an nichts davon erinnern. Das Wichtigste war natürlich, keine Angst zu haben. Und die hatte er nicht. Was hatte er noch zu fürchten? Gottverdammt gar nichts. Wie sagte man: Was immer sie dir bezahlt, es ist nicht genug? Nick legte sich eine spanische Version zurecht und testete sie an Nolo.
Nolo zwinkerte und sah dann noch angriffslustiger aus, die Muskeln an seinem Kiefer traten wie Walnüsse hervor. Nick zog sich in Richtung Wagen zurück, strategischer Rückzug besaß eine lange militärische Tradition mit nur sporadischem Erfolg, aber ihm fiel nichts anderes ein. Eine Option bestand darin, gehorsam in das Auto zu steigen und wegzufahren, aber ihm war nicht nach Gehorsam zumute. Oder er konnte rückwärts zum Kofferraum gehen, sehr langsam seine Schlüssel aus der Tasche ziehen, Nolo zeigen – auf dem Sprung, beinah in Reichweite –, dass es nur Schlüssel waren, harmlos, und den Kofferraum öffnen.
Als Nächstes müsste er dann einen leicht verwirrenden Satz formulieren: » Momentito, ich nehme nur gerade die Vorladung für die Señorita raus. Und con permiso, deine auch.«
»Vorladung?«, fragte Nolo; ja, ein bisschen verwirrt, verunsichert, welchen Status Nick besaß, nicht wissend, dass er keine Vorladungen zustellen würde, aber in Reaktion auf die Macht dieses Wortes.
»Sie sind irgendwo hier drin«, sagte Nick, der sich tief in den Kofferraum beugte. Er spürte Nolo ein Stückchen links hinter sich. Reines Glück, dieser linke Teil: Nick konnte seiner rechten Hand nicht vertrauen. Mit der linken umklammerte er fest den Wagenheber, sagte: »Ich weiß, dass ich sie mitgenommen habe.« Die Spitze einer Machete glitt forschend sein Rückgrat hinunter. Nick dachte: Explodieren, und holte mit einer linken Rückhand aus.
War er wirklich so langsam geworden? Und Nolo stellte sich als ein wenig rascher, ein wenig geschmeidiger heraus, als Nick angenommen hatte. Er schaffte es, eine der Macheten rechtzeitig hochzureißen, um den Wagenheber abzuwehren, zumindest teilweise, so dass er ihn statt knapp unterhalb des Brustbeins, wohin Nick gezielt hatte, mitten auf die Stirn traf. Die bösartige Platzwunde klaffte, als Nolo bewusstlos hinter eine große Sämaschine stürzte.
»Was zum Teufel geht da unten vor?«, brüllte Sylvia vom Balkon aus, die Sämaschine und der
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