Ausradiert: Thriller (German Edition)
tut mir leid«, sagte Nick.
»Was immer auch passiert ist? Sie haben mich zu Tode erschreckt.«
»Das lag nicht in meiner Absicht«, sagte Nick, dem aufging, dass er seinen eigenen Spuren folgte, Petrovs großen, selbstbewussten Spuren – aber blind. In einer Eingebung fügte er hinzu: »Aber sagen Sie mir, wie Sie es sehen.«
»Wie ich es sehe?« Ihre Stimme wurde lauter. »Erst überreden Sie ein vierjähriges Kind, Sie hineinzulassen, dann rufen Sie mich bei der Arbeit an und geben mir Erziehungsratschläge, und als ich endlich hier ankomme, sind Sie auch noch verschwunden. Wie soll man das sehen?«
»Mami?« Eine Stimme erklang oben von der Treppe. Dort stand ein kleines Mädchen, das eine rosa Decke hinter sich herschleifte. »Ich bin wach geworden.« Sie sah Nick. »He«, sagte sie. »Nick ist da.«
»Hi«, sagte Nick. Der Name des Mädchens trieb direkt unter der Oberfläche seines Verstands.
»Verrätst du Mami das Geheimrezept?«, fragte sie.
»Cassie«, befahl ihre Mutter. »Geh sofort wieder ins Bett.«
»Was für ein Rezept?«, fragte Nick.
»Überbackenes Käsesandwich, du Dummie.«
»Klar«, sagte Nick.
»Versprochen?«
»Versprochen.«
»Okay«, sagte Cassie. »Nacht.« Sie verschwand in den Schatten.
Stephanie DiPardo drehte sich zu ihm um, ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. »Wie haben Sie dieses blöde Sandwich gemacht?«, fragte sie. »Sie hört gar nicht mehr auf, davon zu reden.«
Nick hatte keine Ahnung. Hatte er in seinem Leben überhaupt schon mal überbackenes Käsesandwich gemacht? »Ich kann es Ihnen zeigen«, sagte er. Von jetzt an würde Improvisation immer wichtiger werden.
Sie sah mit zusammengekniffenen Augen zu ihm auf.
»Das vermisste Mädchen ist nicht viel älter als Cassie«, sagte er; Improvisation am Rand der Lüge.
Sie ließ ihn hinein.
»Sie sind vor ein paar Wochen ausgezogen«, sagte Stephanie in der Küche.
»Irgendeine Ahnung, warum?« Alle Leute zogen weg: Rui, Liza, Amanda, und George Rummel auch, falls man verbrennen zählen konnte.
Stephanie schüttelte den Kopf. »Ich kannte sie nicht besonders gut.«
»Ich brauche den Käse«, sagte Nick. »Wer wohnte in dem Haus?«
»Nur die alte Großmutter und Rui, wenn er in der Gegend war. Er arbeitete von Zeit zu Zeit in Alaska.«
»Wer hat Ihnen das erzählt?«
»Mrs. Estrella. Ehrlich gesagt war es mir lieber, wenn er fort war.«
»Warum?«
»Er hat manchmal so unheimlich über den Zaun gestarrt.«
»Knoblauch, Senf, Honig«, verlangte Nick, munter weiter improvisierend.
»Das hat sie gegessen?«
»Goofys Geheimrezept«, sagte Nick. Goofy? Wo kam das her? Stephanies Gesichtsausdruck blieb unverändert. Nick stellte die nächste Frage. »Fuhr Rui Motorrad?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Sind hier in letzter Zeit Motorräder herumgefahren?«
Sie dachte nach. »Jetzt, wo Sie es erwähnen, eins war hier. Vor einer Woche oder so. Ich erinnere mich daran, weil ich Cassie gerade in ihrem Autositz festschnallte und er viel zu schnell vorbeifuhr.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Ein Weißer, glaube ich. Und er beugte sich über den Lenker.«
Nick wartete, aber das war alles. Er öffnete den Grill. »Wie lange wohnen Sie schon hier?«
»Zwei Jahre.«
»Wissen Sie etwas über die Geschichte des Hauses?«
»Wie meinen Sie das?«
»Zum Beispiel über die früheren Besitzer.«
»Ich habe es von einem armenischen Ehepaar gekauft. Was davor war, weiß ich nicht genau.«
»Die Estrellas haben nie darüber gesprochen?«
»Nein.«
»Und die übrigen Nachbarn?«
»Ich kenne nicht alle, und wir grüßen uns nur. Die Preise steigen – es wird viel gekauft und verkauft. Warum?«
Nick wollte es ihr nicht erzählen, wollte es ihnen nicht ruinieren. Vielleicht hatte das Gedächtnis des Viertels die Tatsachen längst vergessen. »Ich rolle Ruis Vergangenheit auf.« Er stellte das überbackene Käsesandwich auf die Arbeitsfläche und schnitt es in zwei Hälften.
Sie nahm eine Hälfte und biss ab. »He. Nicht schlecht.« Sie musterte ihn auf völlig andere Weise. Ihr Blick schoss rasch zu seinem Ringfinger. Wirkte er neuerdings auf Frauen?
»Ich würde mir gern den Keller ansehen«, sagte Nick.
Sie hörte auf zu essen. »Ist Rui in meinem Keller gewesen?«
»Lange bevor er Ihnen gehörte«, beruhigte Nick sie. »Wenn überhaupt.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Nichts, worüber Sie sich Gedanken machen müssten.«
»Aber wonach suchen Sie?«
»Bestätigung«, sagte Nick.
»Des
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