Ausreißer
sich wie eine Wand vor ihn gestellt hatte. »Ich muss zum Training!«
»Ich bin gekommen, um dich abzuholen«, erläuterte Michael nun. »Die anderen drei warten schon auf dich – bei Linh.«
»Bei Linh?«, staunte Jabali. Bis eben hatte er gedacht, Michael hätte sich diese dumme Aktion allein ausgedacht, aber offenbar
steckte ein gemeinsamer Plan seiner vier Freunde dahinter. »Wieso bei Linh? Was soll das alles?«
»Wir haben etwas herausgefunden, das dich interessieren dürfte«, antwortete Michael. »Also, was ist? Gehen wir?«
Jabali atmete zweimal tief durch. Er überlegte, was er tun konnte. Und stellte schnell fest, dass er gar nichts tun konnte.
Seine Teamkollegen hatten ohnehin schon wegen seines Krankheitsausfalls über ihn gelästert. Wenn er jetzt ohne Rad zum Training
erschien, weil einer »seiner besten Freunde« sein Rad angekettet hatte, wäre er endgültigdas Gespött seines Teams. Ihm blieb also nichts übrig, als Michael zähneknirschend zu Linh zu folgen, nachdem er noch schnell
seine Schuhe gewechselt hatte.
Den gesamten Weg über sprachen sie beide kein Wort miteinander. Jabali war stocksauer. Und weil Michael das wusste, wollte
er Jabali nicht noch mehr in Rage versetzen. Er konnte Jabalis Wut gut nachvollziehen, aber das musste er einfach in Kauf
nehmen. So hatten die verbliebenen vier Asse es besprochen. »Wenn wir nicht an Jabali herankommen«, hatte Ilka vorgeschlagen,
»dann muss er eben zu uns kommen. Und wenn nicht freiwillig, dann zwingen wir ihn.«
Genau das tat Michael nun.
Grußlos betrat Jabali, noch in kompletter Rennfahrer-Kleidung mit Turnschuhen an den Füßen, hinter Michael Linhs Zimmer. Sein
erster Blick fiel auf sein Sitzkissen. Linh hielt es nach wie vor für ihn frei. Einen kurzen Augenblick freute er sich darüber.
Trotzdem setzte er sich nicht, sondern blieb mitten im Raum stehen. Selbst nachdem Linh ihn freundlich aufforderte, sich doch
zu setzen, und ihm auch ein Getränk anbot, blieb Jabali stur.
»Ich will weder sitzen noch etwas trinken«, muffelte er. »Ich will zu meinem Training.«
»Gut, dass du es ansprichst«, entgegnete Linh ruhig. »Deshalb haben wir dich zu uns gebeten.«
»Gebeten!« Jabali spuckte das Wort mehr aus, als dass er es sprach. »Michael hat mein Rad angekettet. Ich kann nicht zum Training.
Mein Team wird mich auslachen und mein Trainer sauer sein. Tolle Freunde habe ich da.«
Die vier sagten nichts, sondern sahen sich gegenseitig nur vielsagend an.
Linh legte Jabalis Akte in die Mitte zwischen den Sitzenden auf den Boden.
»Was ist das?«, wunderte sich Jabali.
»Deine Krankenakte«, erklärte Linh. »Nach der hast du Asthma. Wusstest du, dass du asthmakrank bist?«
»Ich?« Jabali stand der Mund vor Erstaunen offen. Er brachte kein Wort mehr heraus.
»Ja, du! Steht hier in der Akte.« Aber Linh war noch nicht fertig. Sie legte weitere fünf Akten in die Mitte. Von Jabalis
Teamkollegen. Linh hatte zwar die Namen der anderen nicht gewusst. Aber auf Jabalis Akte gab es einen Vermerk: »CF-TEAM«.Cornflakes-Team. So hatte Linh, so schnell sie konnte, die Akten nach diesem Vermerk durchsucht und tatsächlich weitere gefunden.
»Die haben auch alle Asthma. Komisch, oder?«
Jabali war noch immer sprachlos. »Wo habt ihr die her?«, war alles, was er herausbrachte.
Linh antwortete nicht darauf. Stattdessen reichte Ilka ihm einen Computerausdruck. »Hab ich im Internet gefunden.«
Zögerlich nahm Jabali das Papier entgegen. »Was soll das?«
»Lies!«, forderte Linh ihn auf.
Michael konnte es nicht abwarten und sagte ihm, was in dem Artikel, den Ilka ausgedruckt hatte, stand. »Dein feiner Sportarzt
war schon mal Teamarzt«, begann Michael. »Bei einer Profimannschaft. Bis vor sieben Jahren. Dann wurden bei den Profis während
einer Tour etliche Dopingmittel im Mannschaftsquartier entdeckt. Alle sagten aus, sie hätten sie von dem medizinischen Leiter
des Teams bekommen.«
»Deinem Doktor Thomen«, ergänzte Lennart. »Er wurde angeklagt. Aber man konnte ihm nichts nachweisen. Dennoch wurde er aus
dem Team geworfen,und auch die Universität, an der er arbeitete, hat ihn entlassen.«
Ilka setzte fort. »Dann wurde er Betriebsarzt in der Cornflakes-Firma . . .«
». . . und ist nun der Sportarzt eures Teams, in dem die jugendlichen Fahrer langsam zu Profis aufgebaut werden sollen«, beendete
Linh das, was sie herausbekommen hatten.
»Profis im Doping!«, fügte Michael noch verächtlich
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