Außer Atem - Panic Snap
wurde.
Ich gehe nach draußen, setze mich auf die Stufen vor dem Gebäude, versuche mich zu beruhigen, sehe Autos nach, die langsam vorbeifahren, und einer Frau, die einen Kinderwagen schiebt. Es ist vormittäglich ruhig und friedlich hier, und große Bäume spenden dem Gebäude Schatten. Zwei Vögel beginnen, einander zu umflattern und anzusingen, es scheint, als wollten sie sich gegenseitig übertrumpfen. Ich starre auf die Sterbeurkunde, die in meiner Hand leicht zittert. Sie sagt mir nicht alles, was ich wissen will. Ich brauche noch mehr Informationen.
Plötzlich habe ich eine Idee. Ich rufe der Frau mit dem Kinderwagen nach. Sie dreht den Kopf und sieht sich einen Augenblick suchend um, dann entdeckt sie mich.
»Wissen Sie, wo die Bücherei ist?«, frage ich.
Die Frau trägt ein formloses sackartiges Kleid und ist jung und blass. Sie hat schlaffe blonde Haare, die sie sich jetzt hinter die Ohren schiebt. Eifrig winkend sagt sie, die Bücherei sei ganz in der Nähe und deutet die Straße hinauf; während sie mir den Weg erklärt, schiebt sie mit der anderen Hand den Kinderwagen vor und zurück. Die Frau ist zum Plaudern aufgelegt und bietet mir sogar an, mich zu begleiten, doch ich danke ihr schnell, sage, das sei nicht nötig, und eile die Straße hinauf.
In der Bücherei gehe ich den
Napa-Valley-Anzeiger
durch, die wichtigste Lokalzeitung der Gegend. Anna starb vor fünfzehn Jahren. Die Bücherei hat die Zeitungen aus dieser Zeit auf Mikrofilm gespeichert, jede Filmspule enthält einen Monat. Ich lasse den fraglichen Film schnell durchlaufen, bis ich zu dem Tag komme, an dem Anna starb. Zu Hause habe ich einen Computer, im Vergleich dazu ist der Mikrofilmapparat sehr langsam, ein sperriges, altmodisches Gerät. Ich gehe weiter zum nächsten Tag und finde auf der Titelseite tatsächlich einen Bericht über ihren Tod: Anna Maria McGuane, 35, Schwiegertochter des bekannten Napa-Valley-Winzers James McGuane sen., starb gestern nach einem Sturz von einer Laufplanke in der Byblos-Weinkellerei. Offenbar ist sie auf der Laufplanke ausgerutscht und unter dem Handlauf hindurch geglitten. Ihr Kopf schlug auf dem Betonboden auf; sie war augenblicklich tot... Zeuge des Unfalls war der Ehemann, James McGuane jun., der sich ebenfalls auf der Laufplanke befand...«
Ich überfliege den gesamten Artikel. Danach stammte auch Anna aus einer bekannten Napa-Valley-Familie, die Wein anbaute und an örtliche Kellereien verkaufte. Es gibt ein Foto von der Kellerei und der Laufplanke, wie sie damals aussah. Ich kopiere mir den Artikel, gebe den Mikrofilm zurück und gehe.
Auf dem Weg nach Byblos frage ich mich, ob ich Anna wohl gekannt habe. Und ich frage mich, ob sie von der Laufplanke eher gestoßen wurde als gefallen ist. Es wäre ein Leichtes gewesen. Die Laufplanke war hoch und schmal, und der dünne Handlauf bot kaum Schutz. Für einen großen Mann wie James muss es ein Kinderspiel gewesen sein, sie unter dem Handlauf hindurch zu schieben.
Ich fahre auf dem Silverado Trail nach Norden, denke nach und nehme um mich herum kaum etwas wahr. Vor fünfzehn Jahren hatte auch ich eine Kopfwunde. Die Ärzte und die Polizei haben gemeinsam gerätselt, wie ich zu dieser Verletzung gekommen sein mochte. Mein Körper war von blauen Flecken übersät, so als wäre ich verprügelt worden, und auf meinen Kopf war seitlich mit einem harten stumpfen Gegenstand eingeschlagen worden. Die anderen Verletzungen aber, sagten sie, die Knochenbrüche, die Schnittwunden von Glasscherben, passten eher zu einem Sturz aus großer Höhe – als wäre ich aus einiger Höhe aus einem Fenster gestoßen worden.
Oder von einer Laufplanke, denke ich jetzt. Und die Glasscherben konnten von Weinflaschen stammen, die auf dem Boden der Kellerei standen. Vielleicht sollte ich auf die gleiche Weise sterben wie Anna.
Ich passiere die beiden Säulen an der Einfahrt zu Byblos, winke im Vorbeifahren abwesend ein paar Arbeitern zu und biege in die gewundene Auffahrt zu James' Haus ein. Das Verdeck meines Kabrioletts ist herunter geklappt, und der Wind fährt mir durch das kurze Haar. Als ich mich in den Weingärten umschaue, bemerke ich die Veränderungen. Die Reben, noch immer ordentlich in Reih und Glied, wachsen auffallend schnell. Die Blätter sind von einem lebhaften, strahlenden Grün, jung und zart. Die Reihen sehen aus wie Prozessionen von dressierten Schulkindern, die gehorsam aufgereiht über die Hügel laufen und nur darauf warten, entlassen zu werden,
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