Außer Atem - Panic Snap
damit sie wegrennen können. Wie ich warten sie darauf, dass die gegebene Ordnung sich auflöst.
Vor James' Haus halte ich an. Wie ich vermutet habe, steht der schwarze Cherokee nicht da. James ist noch in Sacramento. Die kleine Glasscheibe, die ich gekauft habe, liegt auf dem Beifahrersitz neben den Kopien der Sterbeurkunde und des Zeitungsberichts über Annas so genannten Unfall. Ich greife sie mir, gehe zur Haustür, klopfe, warte ein paar Minuten und benutze schließlich meinen stibitzten Schlüssel. Ich bleibe in der offenen Tür stehen, rufe zur Sicherheit seinen Namen, doch es ist niemand da. Schnell ersetze ich das Glas in dem Fotorahmen und betrachte dann den dreitürigen Aktenschrank. Jetzt hätte ich die ideale Gelegenheit, seine Akten durchzusehen und sein Haus zu durchsuchen, doch ich werde im Haupthaus erwartet.
Zögernd schließe ich die Tür. Als ich zu meinem Kabriolett gehe, höre ich einen anderen Wagen den Weg heraufkommen. Ich bleibe stehen und horche. Es kommt tatsächlich jemand hier herauf. Ich renne zu meinem Wagen. In wilder Hast wühle ich im Handschuhfach herum – zerre ein paar Straßenkarten heraus, einige weiße Tücher, die zusammengeknüllt in einer Ecke lagen, ein Ventil, ein kleines Fernglas. In all dem Durcheinander finde ich ein Taschenmesser. Ich schnappe es mir und hechte zu der Stelle neben James' Haus, an der die Artischocken wachsen. In dem Moment, als der andere Wagen um die Ecke biegt, schneide ich einen Artischockenkopf ab. Es ist Gina in ihrem weißen, schlammbespritzten Lieferwagen. Sie hält neben meinem Kabriolett und beobachtet mich.
»Hi!«, rufe ich ihr fröhlich zu und halte den Artischockenkopf hoch, den ich gerade mit meinem überhaupt nicht scharfen Taschenmesser abgeschnitten habe. »Da James fort ist, dachte ich, ich schneide hier ein paar ab.«
Sie lächelt mir zu, streicht sich das Haar zurück und sieht dann zu meinem Wagen hinüber, zum Beifahrersitz. Ihr Blick verharrt dort, und sie runzelt leicht die Stirn.
Alarmiert erinnere ich mich an die Sterbeurkunde. »Gina!«, rufe ich und gehe zu ihr hinüber.
Sie schaut hoch.
»Ich könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen«, sage ich und deute mit dem Messer auf die hohen Artischockenpflanzen. »Haben Sie nicht ein paar Minuten Zeit?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Ich wollte nur eben fragen, ob zwischen Ihnen und meiner Mutter alles in Ordnung ist. Ich habe Sie vor ein paar Minuten hier hinauffahren sehen.«
Ich nicke und lehne mich für einen Moment an ihre Wagentür. »Danke, dass Sie mit ihr gesprochen haben«, sage ich. »Ich dachte schon, sie würde mich entlassen. Immerhin hatte sie allen Grund dazu – ich weiß noch immer nicht, wie das passieren konnte.«
»Es war schlicht ein Unfall.«
Ich schaue nachdenklich in Ginas hellgrüne Augen. Sie war als Letzte in der Küche. »Das glaube ich auch«, sage ich. »Ich habe gesagt, ich würde für die Schäden aufkommen, aber das hat sie abgelehnt.«
Gina tätschelt mir den Arm und legt den Rückwärtsgang ein. »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen«, sagt sie. »Mutter wollte sowieso neue Schränke haben.« Dann setzt sie zurück und fährt davon.
Ich schaue zum Beifahrersitz meines Autos. Die Straßenkarten, die zerknüllten weißen Tücher und das Fernglas verdecken die Sterbeurkunde und den Zeitungsartikel weitgehend. Das Wort Sterbeurkunde in großen fetten Buchstaben ist zu sehen, aber der Rest des Papiers ist verborgen. Wenn überhaupt etwas, hat Gina nicht viel erkennen können. Dennoch ist mir klar, dass ich nur Glück gehabt habe. Ich kann es mir nicht leisten, so nachlässig zu sein – weder bei James noch bei Gina.
9
Ich war die ganze Woche nicht bei der Kellerei. Nachdem ich erfahren habe, wie Anne gestorben ist, wollte ich mir nicht ausgerechnet jetzt die Laufplanke ansehen. Ich bin im Haus der McGuanes geblieben und habe mich dort versteckt. Von Tag zu Tag mag ich das Haus mehr. Mrs. McGuane – ich habe noch immer Probleme damit, sie Charlotte zu nennen – hat es selbst eingerichtet, und obwohl die meisten Möbel teuer aussehen und sicher mit Bedacht ausgewählt sind, verströmen die Räume Wärme und Bequemlichkeit, nicht zuletzt dank der Grünpflanzen, den farbenfrohen Tapeten und der Vasen voll frisch geschnittener Gartenblumen. James ist noch nicht aus Sacramento zurück.
Ich gehe durch die große Halle und die beiden Stufen zum Wohnzimmer hinunter. Es ist eine Komposition aus sanften Tönen – mit dem Plüschsofa in
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