Ausser Dienst - Eine Bilanz
bundeseinheitlich verfaßt (wenn auch ihre Satzungen durchaus einige föderalistische Elemente enthalten). Ihre Führungsgremien und Vorstände und deren bürokratische Mitarbeiterstäbe haben ihren Sitz in Berlin. Insofern bilden die meisten politischen Parteien ein zentralistisches Gegengewicht gegen extreme föderalistische Tendenzen. Gesamtstaatliches Denken ist für die Personen in den Machtzentralen der Parteien weitgehend selbstverständlich. Zu dieser zentralistischen Perspektive trägt vor allem das System der Parteienfinanzierung bei, die sich im wesentlichen aus privaten Spenden und staatlichen Zuwendungen zusammensetzt.
Die staatlichen Zuwendungen machen allein etwa ein Drittel der Jahreseinnahmen sämtlicher politischer Parteien aus, sie fließen weit überwiegend den Zentralen zu. Hinzuzählen muß man die doppelt so hohen staatlichen Mittel, die den sogenannten »parteinahen Stiftungen« zufließen, die mit ihrem Personal, ihren Einrichtungen und Diensten weitgehend der jeweiligen Parteizentrale zur Verfügung stehen. Man muß auch die staatliche Finanzierung der Bundestagsfraktionen hinzuzählen, die im Umfang etwa ein Drittel der staatlichen Parteienfinanzierung erreicht und die der zentralen Willensbildung der jeweiligen Partei dient. Auf diese Weise ist im Jahr 2003 den politischen Parteien direkt und über die ihnen nahestehenden Stiftungen insgesamt rund eine halbe Milliarde Euro zugeflossen (seither sind die Beträge noch gestiegen). Zuletzt haben rund 20 (!) politische Parteien an der staatlichen Parteienfinanzierung teilgenommen.
Ich will das Ausmaß staatlicher Finanzierung der Parteien nicht ein weiteres Mal kritisieren, wohl aber möchte ich pro futuro zur Mäßigung mahnen. Denn die Opulenz der Ende der sechziger Jahre eingeführten staatlichen Wahlkampfkostenerstattung hat ganz wesentlich zur Technisierung und Professionalisierung der Wahlkämpfe beigetragen. Wo früher Zigtausende ehrenamtlicher Helfer mit Hingabe Plakate geklebt und Broschüren ausgetragen haben, bezahlt man heute Werbeagenturen. Die Parteizentralen sind finanziell und damit politisch sehr mächtig geworden. Wenn die zentralen Parteischatzmeister sich das nächste Mal über eine einschlägige Gesetzesnovelle einig sind, die der Bundestag beschließen soll, muß das Parlament die Langzeitwirkungen jedenfalls sorgfältig unter die Lupe nehmen.
Die privaten Spendeneinnahmen unserer Parteien liegen einstweilen nur etwa bei einem Drittel der vereinnahmten staatlichen Mittel, bei der CDU/CSU und erst recht bei der FDP deutlich höher, bei der SPD deutlich darunter. Es ist nicht diese Ungleichmäßigkeit der Verteilung, die mich stört. Vielmehr erkenne ich in anderen Staaten, vor allem in den USA, eine enorme Aufblähung sowohl der Wahlkampfspenden als auch der staatlichen Parteienfinanzierung. Tendenziell breitet sich diese korrupte Praxis international aus, sie kann auch bei uns zu skandalöser Verfälschung des demokratischen Prinzips führen. Mein persönliches Ideal läßt sich in drei einfachen Regeln zusammenfassen: Erstens bekommt keine Partei Geld vom Staat; zweitens darf keine Partei Geld annehmen von einer Firma, von einer Vereinigung oder von einer juristischen Person; drittens wird bei Spenden von Privatpersonen jede steuerliche Abzugsfähigkeit abgeschafft. Ich räume ein, dies ist ein Wunschtraum – aber darf ich nicht auch einmal einer Utopie anhängen?
Zusammenfassend möchte ich den nachfolgenden Generationen deutscher Politiker den Wunsch ans Herz legen, sich auch künftig mindestens dreier entscheidender Lehren aus der deutschen Geschichte bewußt zu bleiben: nämlich der bleibenden Hypothek der Vernichtung der Juden, der bleibenden Aufgabe guter Nachbarschaft zu den uns umgebenden Nationen und der gleichfalls bleibenden Aufgabe einer verläßlichen Balance zwischen Bund und Ländern. Wenn unsere Politiker außerdem jeglicher Versuchung zu deutscher Großmannssucht widerstehen, hätten wir tatsächlich Entscheidendes aus unserer Geschichte gelernt.
III
AUS PERSÖNLICHEN
ERFAHRUNGEN LERNEN
Eigene Fehler
Jedermann lernt im Laufe seines Lebens hinzu. Für jedermann ergeben sich daraus auch Veränderungen seiner Urteilsmaßstäbe. Am Anfang dieses Buches habe ich von Begegnungen und Erfahrungen berichtet, die mich beeinflußt und verändert haben. Dabei wurde mir immer wieder deutlich, daß ich in den 25 Jahren, die seit meinem Rückzug von allen politischen Ämtern vergangen sind, sehr vieles gelernt
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