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Außer sich: Roman (German Edition)

Außer sich: Roman (German Edition)

Titel: Außer sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Fricker
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Sie nahm ihre Handtasche auf die Knie. Ich hatte plötzlich Angst, sie nie wiederzusehen. Die Türen schlossen sich, der Zug setzte sich in Bewegung. Ich lief noch ein Stück mit.
    Als ich nach Hause kam, blinkte der Anrufbeantworter. Die Nachricht war von David. David? Woher hatte er meine Festnetznummer? Ob wir uns heute Abend treffen könnten? Es war Freitag. Er wusste, freitags hatte ich nie Zeit. Nie! Ich rief ihn an. Woher er meine Nummer habe? Im Netz, sagte er lapidar, kein Problem, das rauszufinden. Sein Ton gefiel mir nicht. Er lachte. Er wisse übrigens schon lange, wo ich wohne. Komm schon, sei nicht sauer. Wir verabredeten uns für Montag. Ich klappte das Handy zu. Ich hatte etwas im Auge, es tat weh, es juckte. Ich ging ins Bad, wusch mir das Auge aus. Das Auge war ganz rot.
    Trari, trara, die Post ist da, schau mal, wer da kommt! Therese begrüßte mich, sie duftete nach Pfirsich. Bin gleich bei dir, ich muss nur noch kurz was holen. Seit Therese auf der Gruppe arbeitete, fiel es mir leichter, ins Heim zu gehen. Auch wenn ihre Fröhlichkeit oft aufgesetzt wirkte. Meistens tranken wir zusammen noch einen Kaffee und sie erzählte mir, was während der Woche geschehen war. Was sich verändert hatte. Sie kam wieder mit der Akte. Setzte sich, nahm einen Schluck Kaffee und sagte, ich wollte das nicht am Mittwoch besprechen.
    Was, fragte ich, worum gehts?
    Wir müssen das mit dem Essen beobachten. Es scheint, als habe er keinen Appetit mehr. Oft in letzter Zeit muss ich ihn richtig überreden, etwas zu essen oder zu trinken. Könnte auch eine Nebenwirkung des neuen Medikaments sein, sagt der Arzt. Sie schlug die Akte auf. Warte mal, ja, genau dreimal hat er abends gar nichts gegessen letzte Woche. Ich wollte es dir nur sagen, mach dir mal noch keine Sorgen, das ist wahrscheinlich nur eine Phase. Wenn es nicht besser wird, müssen wir das Medikament halt absetzen. Keine Sorgen machen? Therese! Wie stellst du dir das vor? Sebastian saß fertig angezogen auf dem Sofa und brummte leise, die Holzkette klapperte. Tut mir leid, ich muss. Hast du noch Tropfen? Sie gab mir ein neues Fläschchen mit.
    Wir nahmen den Weg durch den Park. Gehen wir zu Fuß bis zum Alex? Schaffst du das? Ich hielt Sebastian an der Hand. Schon im Park hatte ich das Gefühl, jemand ginge hinter uns. Ich drehte mich um. Nichts. Sebastian blieb stehen. Komm.
    Er begann mit dem Kopf zu schlenkern.
    Bastian!
    Leute drehten sich um.
    Sebastian, komm.
    Komm jetzt!
    Endlich ließ er sich weiterziehen.
    Schlurfende Schritte, rhythmisches Brummen.
    Vorne an der Köpenicker mussten wir warten, bis die Ampel auf Grün wechselte. Jemand legte mir die Hand auf die Schulter. Ich fuhr herum.
    David?!
    Wo kommt der her? Warum weiß er. Er muss mir gefolgt sein. Ist er mir gefolgt, hat uns beobachtet? Schon die ganze Zeit? Auf der anderen Straßenseite beim Klub standen ein paar Jugendliche zusammen. Die Ampel sprang auf Grün, auf Rot.
    Mal keine Geschäftsreise nach Brüssel, nach Stockholm? Ich nehme an, du hast ihm jetzt endlich von uns erzählt, Schatz? Dass wir uns lieben? So ekelhaft ordinär kannte ich ihn gar nicht. Was sagst du denn, David, was soll das, bist du betrunken?
    Er hatte sich lange nicht rasiert. Dürftiger dunkler Bartwuchs.
    Er sah mich an. Als sei er sich ganz sicher, jetzt, wo er die Wahrheit, die ganze Wahrheit kannte, werde ich mich für ihn entscheiden. Er versperrte uns den Weg. Rühr mich nicht an! Er umarmte mich und versuchte, mich zu küssen. Er roch nach Bier. Ich stieß ihn mit aller Kraft von mir.
    Du hast sie ja nicht mehr alle! Was willst du mit diesem Wrack, diesem Idioten, das ist doch kein Mann, das ist noch nicht mal mehr ein Mensch!
    Ich zog Sebastian an mich. Umfasste ihn, strich hektisch über seinen Kopf, seinen Rücken, alles, alles.
    David stand da. Was hatte er bloß für verschrumpelte, viel zu kleine, viel zu rote Ohren. Ein Rotzbengel, was hatte ich nur an ihm finden können?
    Du bist betrunken, sagte ich, geh jetzt, bitte!
    Aber er drängte sich wieder grob zwischen mich und Sebastian. Er versuchte, Sebastian wegzustoßen. Der Faden riss. Ich wollte schon zuschlagen. Ich hätte zugeschlagen, ich hätte gekratzt und gebissen. Da aber kam jemand. Zwei türkische oder arabische Jungs. Ich glaube, sie hatten drüben vor dem Klub gestanden eben. He Alter!, sagte der eine und schubste David unsanft von uns weg. Sie stellten sich zwischen uns und ihn. Sie standen nur da, breitbeinig, mit locker hängenden Armen,

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