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Außer sich: Roman (German Edition)

Außer sich: Roman (German Edition)

Titel: Außer sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Fricker
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ausgehen. Haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Die Gedanken verscheuchen, unter Leuten sitzen. Gespräche belauschen. Auch im Kino oder im Theater sind wir schon lange nicht mehr gewesen. Genau genommen seither noch nie. Aber gut.
    Unten war alles zugeparkt. Das war in den letzten Jahren immer schlimmer geworden. Es war ein In-Viertel geworden, ein Ausgehviertel mit angesagten Kneipen und Klubs. Ein Auto stand quer auf dem Bürgersteig. Komm, gib mir die Hand, Vorsicht, nicht stolpern. Schau dort, das ist neu, das sieht doch gemütlich aus, Kerzen auf den Tischen, aber schon ziemlich voll. Egal. Ein Plätzchen am Rand werden wir wohl noch finden. Wir quetschen uns dazwischen, die Jacke lass mal an. Sie reden und lachen und rufen nach weiteren Getränken. Bastian. Ich sehe in sein Gesicht und weiß, was gleich kommen wird. Lachen. Da macht dir so leicht keiner was vor, nicht? Lachen, aber nicht fröhlich sein. Wen es stört, der kann sich ja die Ohren zuhalten. Bestimmt werden sie das verstehen. Keiner soll sich ausgeschlossen fühlen. Behinderte sind nicht behindert, sondern Menschen mit besonderen Begabungen. Aber nicht jeder kann Bilder malen oder schöne Sätze sagen. Sätze, die einem sensiblen Menschen kreative Räume eröffnen. Manch einer kann halt nur noch brummen. Oder lachen. Bastian, nicht so laut. Plötzlich sitzen wir mittendrin. Im Scheinwerferlicht. Mucksmäuschenstill ist das Publikum. Gespannt, was noch kommen wird. Daumen hoch, Daumen runter. Schnell ist es entschieden. Einer will zahlen, dann der nächste. Der übernächste. Bald sitzen wir allein am Tisch. Da hast dus, keiner will sich den Tag von uns versauen lassen. Ich hätte da noch eine Frage. Aber niemand hört zu. Bastian, nicht. Zu spät. Schon hat er den Schädel auf die Tischplatte geknallt. Tut mir leid. Aber so ist das nun mal mit besonderen Begabungen. Der eine dies, der andere das. Oha, jetzt kommt der Chef. Auch ich sehe wohl etwas lädiert aus, so wie der mich anstarrt. Darf ich Sie bitten, er räuspert sich, zu gehen. Ganz freundlich wagt er es, uns rauszuschmeißen. Ihm persönlich tue es ja leid, aber ich sähe ja selbst, die Gäste, das Geschäft.
    Brummen. Ich hörte dieses Brummen durch geschlossene Türen, ich hätte es durch meterdicke Mauern gehört. Bastian? Bist du wach? Ich half ihm aufzustehen. Gut geschlafen? Er klopfte sich mit der flachen Hand auf den Schenkel. Ich gab ihm das Holzkettchen, das auf dem Nachttisch lag. Damit seine Finger etwas zu tun bekamen. Alles trocken. Ich duschte ihn nicht, wusch ihn nur, wechselte die Windel und zog ihn an. Was wollen wir heute machen? Es regnet. Hörst du die Tropfen auf dem Fenstersims? Wir hätten uns eine andere Jahreszeit für Ferien aussuchen sollen. Aber was solls. Ich schmierte Brote, belegte sie mit Schinkenscheiben, schnitt sie in mundgerechte Quadrate. Kaffee mit Milch und Zucker. Half ihm, sich an den Tisch zu setzen. Stückchen um Stückchen verschwand in seinem Mund, er kaute nicht, schluckte sie ganz hinunter. Seine Augen wanderten von rechts nach links und zurück. Unterm Tisch klapperte es. Dann riss das Kettchen. Ich hörte die Holzperlen auf das Parkett fallen, hörte sie hüpfen, ein Stück rollen. Wahrscheinlich war die Schnur schon lange spröde gewesen. Ich löste sie aus seiner Hand. Seine Finger zitterten, zappelten, suchten. Der ganze Körper war steif, angespannt. Ich musste die Kette reparieren, sofort. Ich holte eine Nadel aus der Küche, sammelte die Perlen vom Boden, fädelte auf, knüpfte die losen Enden zusammen. Fertig. Hier, schau, fast wie neu. Wir müssen eine Ersatzkette besorgen, hätte ich längst tun sollen. Ich hielt seine Hand, seinen Arm, spürte die Krämpfe in jedem Muskel, wie Wogen durch den Körper getrieben, spürte sie abebben, seine Finger begannen wieder zu klauben, die Bewegung gab ihm Ruhe zurück.
    Maul auf, Maul zu. Augen ohne Wimpernschlag, glasig, groß und rund. Die Kiemen sind lose Segel, vom Wasser rhythmisch durchströmt. Winzige Teilchen schweben, flirren im Licht. Starr stand der Fisch hinter dem Glas. Nur die Augen bewegten sich flink. Ich legte den Finger auf der Höhe seines Mauls an die Scheibe. Klopfte. Hallo, Fisch. Wir waren ganz allein. Sebastian, ich und die Fische. Schöne Fische. Kupferstreifen-Pinzettfisch, Husarenfisch, Anemonenfisch, Falterfisch. Der Raum war dunkel, nur die Aquarien waren hell erleuchtet. Der Fisch schlug einmal mit der Schwanzflosse, sonst passierte nichts. Das Surren der

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