Aussicht auf Sternschnuppen
Betreten schaute ich auf meine Turnschuhe.
Fee antwortete für mich: „Helga hat ihre Koffer mit der Post vorausgeschickt.“
Er sah mich skeptisch an: „Warum?“ Als meine Erklärung jedoch nicht sofort erfolgte, zuckte er mit den Achseln. „Es wäre sowieso sehr fraglich gewesen, ob wir sie in dieser Streichholzschachtel noch untergebracht hätten. Steigen Sie ein! Ich rauche schnell noch eine Zigarette.“
Ungeachtet der Rauchen Verboten-Zeichen überall zündete er sie sich an.
Ich zog Fee zur Seite. „Dieser Mensch ist ein wandelnder Aschenbecher“, flüsterte ich. „Wie viele Zigaretten hat er in den letzten 20 Minuten geraucht? Es müssen mindestens fünf gewesen sein.“ Ungeduldig schaute ich auf die Uhr.
Aber Fee schien nicht an Nils Schönebergers Zigarettenkonsum interessiert zu sein. Sie sah mich ernst an: „Helga, bist du dir wirklich sicher, dass du das Richtige machst?“
„Nein, ich war mir noch nie unsicherer. Aber du sagst doch immer, ich solle ein bisschen spontaner sein.“
„Mit spontaner werden meinte ich, ohne Einkaufszettel zum Einkaufen gehen, ein Kleidungsstück sofort kaufen und nicht erst, wenn du eine Woche darüber nachgedacht hast, in der Eisdiele nicht immer nur Spaghettieis bestellen. Das alles sind Dinge, in denen du etwas spontaner sein könntest. Mit spontaner werden meinte ich nicht, dass du deinem Freund ohne Gepäck nach Italien hinterherfährst, nur weil du denkst, er könnte eine Affäre haben. Das passt einfach nicht zu dir! Was soll ich Milla sagen?“
Milla ist unsere Mutter. Sie bestand aber darauf, dass meine Schwestern und ich sie bei ihrem Vornamen nannten. Schließlich wollte sie nicht doppelt so alt wirken, wie sie aussah.
„Sag ihr, dass ich Giuseppe verlassen habe und dabei bin, mit dem Sohn von Katharina und Bernd Schöneberger nach Italien durchzubrennen. Das wird ihr gefallen.“
Meine Mutter hatte die Bunte und die Gala abonniert und war somit bestens informiert, was sich in den europäischen Adelshäusern und in den Betten der nationalen und internationalen Prominenz alles abspielte. Nils Schöneberger war ihr bestimmt ein Begriff.
Fee runzelte die Stirn. Das heißt, sie versuchte, sie zu runzeln, aber es gelang ihr nicht. Denn regelmäßige Botox-Behandlungen hatten große Teile ihrer Mimik lahm gelegt. „Das würde sie mir sowieso nicht glauben. Du bist viel zu brav dafür. Außerdem weiß sie garantiert, dass Nils eine Freundin hat. Anja! Vor zwei Jahren habe ich sie als Model für einen Bikini-Beitrag gebucht.“
„Er ist also vergeben?“ Normalerweise interessierte ich mich nicht für das Leben von Prominenten, aber da ich mit einem echten Promi, so nervig er sein mochte, für die nächsten Stunden das Auto teilen musste, war ich doch ein wenig neugierig geworden. Und liiert, auch wenn es mit einem Model war, schien mir Nils Schöneberger schon viel seriöser als vorher.
„Ich glaube schon. Jedenfalls habe ich ihn vor ein paar Wochen mit ihr zusammen im P1 gesehen.“ Sie lachte. „Wenn ich mir nicht ernsthafte Sorgen um dich und deine mentale Verfassung machen würde, könnte die ganze Sache fast komisch sein. Meine brave, biedere Schwester fährt zusammen mit Frauenheld Nils Schöneberger in die Toskana. Was für eine Mischung!“
Misstrauisch blickte ich sie an. „Wieso denn Frauenheld? Ich denke, er hat schon seit längerem eine feste Freundin.“
Doch in diesem Moment hatte Nils seine Zigarette fertig geraucht und kam auf uns zu. Dieser Mensch machte mich noch wahnsinnig! Warum musste er die Zigarette auf den Boden werfen, wenn nur fünf Zentimeter von ihm entfernt ein Mülleimer stand?
Nachdem ich mich von Fee verabschiedet hatte, merkte ich, dass es neben der ständigen Raucherei noch eine andere Sache gab, die mich an meinem Wegbegleiter-wider-Willen wahnsinnig machte. Nachdem er sich bestimmt fünf Minuten über den Smart und dessen Automatik-Schaltung beschwert hatte, begann er nämlich permanent mit den Fingerkuppen auf dem Lenkrad herumzutrommeln. Bestimmt weil er zufällig einmal keine Zigarette zwischen den Fingern hatte! Zunächst gelang es mir noch recht gut, das Geräusch zu ignorieren, aber spätestens nach zehn Minuten hätte ich ihm deswegen den Hals umdrehen können. Da ich mich für mein kindisches Getue vor der Autovermietung aber immer noch schämte und ich es ihm honorierte, dass er bei seinem Döner auf Knoblauchsoße verzichtet hatte, saß ich nur da, meine Hände fest vor mir auf dem Schoß
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