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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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oder in die nächste Nervenklinik fahren zu lassen.
    „Mir ist gerade ein Gedanke gekommen“, sagte ich, nachdem Nils den Smart wieder gestartet hatte. „Hätten Sie etwas dagegen, mir das Auto während Ihres Abendessens zu überlassen?“, fragte ich. Das Wort Abendessen betonte ich süffisant. „Ich muss noch einige Besorgungen machen.“
    Nils überlegte einen kurzen Moment. „Gut, aber ich fahre spätestens in zwei Stunden weiter.“
    So bald schon? Anscheinend sollte es mit Valeria nicht mehr als ein Quickie werden. Aber gut, zwei Stunden waren mehr als reichlich!
    „In anderthalb Stunden haben Sie Ihr Auto wieder“, sagte ich.

    Das Café Coloniale lag, durch blühende Topfpflanzen von der Straße getrennt, etwas versteckt in einer Seitengasse nahe des Flusses Adige. Kaum hatte Nils hinter einem alten mintgrünen Fiat geparkt, der so winzig war, dass sich unser Smart ihm gegenüber wie ein Range Rover ausmachte, kam auch schon Claudia, die Besitzerin des Cafés Coloniale , nach draußen und umarmte ihre Freundin Valeria herzlich. Etwas neidisch betrachtete ich die einladenden Korbstühle, die unter großen cappuccinofarbenen Sonnenschirmen an kleinen viereckigen Tischchen standen.
    „Hier!“ Nils reichte mir den Autoschlüssel. „Passen Sie auf, dass Sie ihn nicht verlieren.“
    „Ich habe noch nie etwas verloren.“
    Nils machte ein skeptisches Gesicht.
    „Ich werde ihn an meinen Schlüsselbund hängen.“ Ich griff in meine Tasche.
    „Haben Sie einen Nebenjob als Hausmeisterin? Dieser Schlüsselbund ist ja riesig. Was hängt denn da alles dran?“ Nils betrachtete fasziniert das metallische Gebilde in meiner Hand.
    „Mein Haustürschlüssel, der Büroschlüssel, der Schlüssel zum Haus meiner Eltern, mein Fahrradschlüssel … Soll ich weitermachen?“
    „Und was ist in dem silbernen Kasten?“
    „Das ist mein Schlüsselanhänger.“
    „Ja, aber da ist doch etwas drin. Ist das Werkzeug? Darf ich mal sehen?“ Nils griff danach.
    „Nein.“ Ich ließ den Anhänger peinlich berührt in meiner Hand verschwinden. „Das ist ein Maniküre-Set.“
    Nils konnte sich das Lachen nicht verbeißen. „Sie tragen ein Maniküre-Set bei sich?“
    „Ja. Wundert Sie das?“, fragte ich.
    „Ein bisschen schon.“
    „Selbst ich renne nicht gerne mit eingerissenen Nägeln herum“, sagte ich würdevoll.
    „Seien Sie doch nicht eingeschnappt. Hier!“ Nils reichte mir einen Zettel. „Ich habe Ihnen meine Handynummer aufgeschrieben. Für Notfälle.“
    „Danke. Auch wenn ich sie garantiert nicht brauchen werde.“
    Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch stieg ich in den Smart und lenkte ihn langsam durch die engen Gassen. Bald würde ich Gewissheit haben, ob ich meinen Traum von der deutsch-italienischen Großfamilie weiterträumen durfte oder ob er wie eine Seifenblase zerplatzte, weil eine brünett-gelockte Mittzwanzigerin darin eingedrungen war.

Zu meiner Überraschung erreichte ich mein Ziel fast ohne Zwischenfälle. Nur einmal hätte ich fast eine Taube überfahren. Der übergewichtige Vogel hatte mich nur hochmütig angeblickt, als ich auf ihn zusteuerte und sich keinen Millimeter von der Mitte der Fahrbahn wegbewegt. Hätte ich nicht noch schnell einen Schlenker geschlagen, wären wir kollidiert. Und der Fahrradfahrer, den ich beim Abbiegen fast gerammt hätte. Ebenfalls nicht meine Schuld. Er hatte eine graue Jacke getragen und war kaum zu erkennen gewesen. Aber was versuchte ich mich herauszureden … Fee hatte Recht. Ich war die schlechteste Autofahrerin aller Zeiten! Und so stellte ich mit Erleichterung fest, dass der Innenstadtbereich von Verona für Autos gesperrt war und ich zu Fuß weitergehen musste.
    Ich parkte den Smart am Rande der Piazza Brà im Halteverbot. Außer mir hatten auch noch andere Fahrzeughalter dieses Schild ignoriert. Und so hoffte ich, dass Parkverbotsschilder ebenso wie Ampeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen in Italien lediglich eine Art Empfehlung darstellten und ihr Nicht-Beachten keine weiteren Konsequenzen nach sich zog.
    Als ich aus dem Wagen ausstieg, war es schon dämmerig. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, ging es auf der Piazza Brà noch zu wie auf dem Münchner Oktoberfest und auf der zweispurigen Straße vor mir fuhren die Autos gleich in vier Reihen nebeneinander. Ungeduldig wartete ich an einem Zebrastreifen darauf, dass ein Auto anhalten und mich die Straße überqueren lassen würde. Doch auch dieses Verkehrszeichen schien von den Italienern

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