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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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zwangsläufig die Nerven zu verlassen und ich mutierte zu einem physischen und psychischen Wrack.
    Mit wackeligen Knien stand ich auf, durchkramte die Tiefen meiner Handtasche nach dem Handy, fand aber nur den Autoschlüssel und … blickte direkt auf Giuseppe und seine brünette Begleitung, die von links mein Sichtfeld durchkreuzten und vor dem Springbrunnen stehen blieben.

    Ich erkannte Giuseppe trotz der immer stärker einsetzenden Dämmerung sofort an dem für ihn charakteristischen Gang, der – so behauptete Mia boshaft – so aussah, als hätte er einen Stock im Hintern. Obwohl Giuseppe mich unmöglich sehen konnte, sprang ich unwillkürlich einen Schritt zurück. Ihm und Angela folgte die ältere Dame mit dem grauen Dutt, von der ich vermutet hatte, dass sie die Chauffeuse von Giuseppes Gespielin war.
    Bei näherem Betrachten wurde mir jedoch klar, dass dies unmöglich der Fall sein konnte. Die Frau war mindestens 80 und so klein und dünn, dass sie aussah, als ob schon eine zarte Luftbrise sie gnadenlos zu Fall bringen konnte. Giuseppes Angela dagegen, stellte ich voller Genugtuung fest, war von nahem betrachtet viel kräftiger als von weitem. Unter dem Licht der Straßenlaterne konnte ich einen Po erkennen, der so rund war, dass selbst Jennifer Lopez vor Neid erblassen würde. Außerdem sah ich, dass sich unter ihrem rosafarbenen T-Shirt mit Glitzerapplikation ein kleiner Bauchansatz hervorwölbte. Dennoch sah sie unbestreitbar gut aus. Und Giuseppe schien der gleichen Meinung wie ich zu sein, denn er hing fasziniert an ihren Lippen und – ich konnte nicht fassen, was ich sah – beugte sich mit seinem Gesicht zu ihr vor, als wolle er sie gleich küssen.
    Nein! Neeiiin! Das durfte ich nicht zulassen! So ein Schuft! Er betrog mich tatsächlich. Ich hatte es doch gewusst. Aber nicht mit mir! Nein! Ich hatte ihn nicht daran gehindert, nach Italien zu fahren. Aber diesen Kuss, den würde ich ihm verderben!
    Schnell sah ich mich nach einem Stein um, fand aber natürlich keinen. Da fiel mir der Autoschlüssel ein, den ich noch immer in meiner Hand hielt. Dort hingen eine ganze Menge Schlüssel dran und außerdem noch ein vollständiges Maniküre-Set. Ha! Er tat bestimmt noch viel mehr weh als ein Stein. Mit aller Kraft schleuderte ich ihn in Richtung des glücklichen Paares und warf mich dann hinter den Sockel einer vier Meter hohen Reiterstatue.
    Mein Anschlag gelang.
    Ich war schon in der Schule eine ausgezeichnete Werferin gewesen und voller Genugtuung musste ich feststellen, dass weder meine Wurfkraft noch meine Wurfgenauigkeit in den letzten 20 Jahren gelitten hatte, denn ich traf Giuseppe genau dort, wo ich ihn hatte treffen wollen: mitten auf der Stirn.
    Entsetzt fuhr Giuseppe zurück und griff sich ins Gesicht. Angela schrie auf, denn Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Was weiter geschah, konnte ich nicht erkennen, denn sofort scharten sich ein paar Passanten um die beiden und ich sah nur noch, wie die ältere Frau meinen Autoschlüssel aufhob und ihn nachdenklich betrachtete, bevor die Dreiergruppe von bestimmt einem halben Dutzend Rücken verdeckt wurde.
    Die meisten vorher noch so ziellos herumschlendernden Passanten schienen wie von einer unsichtbaren Kraft angezogen zu werden. Ein aufgeregtes italienisches Stimmengewirr summte in der Luft. Aber auf einmal rief ein großer, hagerer Mann mit graumelierten Locken etwas und alle drehten sich um und blickten über den Platz. Der Menschenpulk lichtete sich und gab den Blick auf Angela frei, die hektisch in ihr Handy sprach. Giuseppe drückte einen blutdurchtränkten Papierklumpen auf seine Stirn und eine vielleicht 50jährige Frau stützte ihn und strich ihm mütterlich über seinen Arm. Dann schien Angela den Arzt, den Krankenwagen oder was auch immer informiert zu haben, denn sie blickte auf und zeigte mit dem Finger auf die Statue.
    In diesem Augenblick verstand ich zum ersten Mal, was die Redewendung starr vor Schreck bedeutet. Denn ich wusste, dass ich dringend verschwinden musste, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich war wie versteinert. Lediglich meine Hände und Beine zitterten so heftig, als würden sie sich gleich selbstständig machen. Und so blieb ich, eng an den Steinsockel gekauert und durch zwei Holzhäuschen vom restlichen Platz abgeschirmt, stehen und wartete ab, was geschehen würde, die Augen fest geschlossen. Doch keine Hand packte mich an der Schulter und zerrte mich hinter der Statue hervor, niemand schrie: „Kommt

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