Aussicht auf Sternschnuppen
kennst ihn?“, fragte ich matt.
„Natürlich. Bis vor einigen Jahren hat er eine eigene Show auf MTV moderiert. Ich hatte sogar ein Bravo-Poster von ihm in meinem Zimmer hängen.“
„In Zukunft muss ich mir die Wände deiner Wohnung genauer anschauen.“
Lilly lachte. „Erzähl! Wieso fährst du mit Nils Schöneberger zusammen nach Italien?“
„Ich mag jetzt nicht über Nils Schöneberger sprechen“, sagte ich abweisend. „Es war ein blöder Zufall, dass ich ihn getroffen habe. Wir sind zeitgleich in einer Autovermietung aufgetaucht und wollten einen Mietwagen. Es gab aber nur noch einen. Also haben wir ihn uns geteilt. Mehr gibt es nicht zu sagen.“
„Du bist wirklich zu beneiden.“ Sie seufzte. „Ich hätte mich nie getraut, ihn anzusprechen.“
„Leider hatte ich in dieser Hinsicht weniger Berührungsängste. Ich wusste zu Beginn unserer unfreiwilligen Fahrgemeinschaft überhaupt nicht, dass er prominent ist.“
„Echt nicht?“ Lilly schien überrascht. „Aber du hast ja auch …“
„… keinen Fernseher“, beendete ich den Satz ungeduldig. „Ja. Ich bin der große Exot in unserer Familie.“
„Das bist du. Aber wie du weißt, lieben wir dich trotzdem“, sagte Lilly gutmütig. „Sieht Nils Schöneberger nicht toll aus?“
„Es geht. Er ist ziemlich klein.“
„Wirklich! Im Fernsehen sieht er aber ziemlich groß aus, zumindest im Vergleich zu seinen weiblichen Kolleginnen. Super! Vielleicht sind die alle noch kleiner als ich.“ Lilly war nur 1,65 m groß und hatte die Hoffnung selbst mit 30 nicht aufgegeben, noch weiter zu wachsen. „Ist Nils nett? Über was habt ihr geredet?“
„Lilly, ich habe jetzt nicht die Nerven, über ihn zu sprechen. Ich erzähle dir alles, was du wissen willst, wenn ich wieder zu Hause bin. In Ordnung? Bei einer Flasche Rotwein.“
„In Ordnung.“ Aber Lilly hörte sich enttäuscht an. „Und warum bist du nach Italien gefahren? Magst du mir wenigstens das erzählen?“
„Ich bin Giuseppe nachgefahren, weil ich dachte, dass er eine Affäre hat.“
„Giuseppe!“, wiederholte sie überrascht. „Wie kommst du darauf?“
„Ich habe eine SMS in seinem Handy gefunden. Aber auch das würde ich dir lieber zu Hause bei einer Flasche Rotwein erzählen. Wo bist du eigentlich im Moment? Wolltest du nicht mit Torsten in den Bayerischen Wald fahren?“
„Ja, das sind wir auch. Und du glaubst nicht, was gerade passiert ist! Das ist nämlich der zweite Grund meines Anrufs.“ Lilly machte eine dramatische Pause. „Torsten hat mir einen Antrag gemacht.“
„Nein!“
„Doch“, quiekte sie. „Ist das nicht unglaublich? Ich warte schon so lange darauf, dass ich gar nicht mehr damit gerechnet habe. Aber er hat es getan. Vor fünf Minuten.“
„Und wo ist Torsten jetzt?“
„Noch im Restaurant. Ich habe ihm gesagt, dass ich kurz aufs Klo muss, aber natürlich wollte ich die frohe Kunde nur so schnell wie möglich per SMS verbreiten. Ich bin verlo-obt! Nur dir erzähle ich es persönlich. Du hast den Nils Schöneberger-Bonus.“
„Dann solltest du schnell wieder zurückgehen und den armen Kerl nicht so lange warten lassen. Übrigens: Gratuliere. Ich freue mich für euch. Ihr seid ein tolles Paar.“
„Danke, du bist süß.“ Lilly klang gerührt. „Und, Helga …“
„Ja?“
„Giuseppe und eine Affäre, das kann nicht sein. Das wäre ja so …“, sie überlegte kurz, „… als ob du Pink tragen würdest.“
„So unwahrscheinlich?“
„Ja. Völlig. Glaub mir. Giuseppe liebt dich, da bin ich mir sicher. Und warum sollte er sich eine Geliebte suchen, wenn er dich haben kann? Du bist die Beste.“
„Danke, das ist lieb von dir.“ Nun war ich an der Reihe gerührt zu sein, auch wenn Lillys Leben von einer Art Weichzeichner überzogen war und sie der Realität in den seltensten Fällen klar ins Auge sah. „Wir treffen uns, wenn ich wieder in München bin. Versprochen!“
„Super, und dann erzählst du mir alles. Ja?“
„Ja. Und grüß deinen Verlobten von mir. Nach mir hat er die Zweitbeste bekommen.“
Lilly lachte. „Mach ich.“ Sie legte auf.
Lilly! Meine runde, rothaarige, gutmütige Schwester, die mich stets an ein Erdbeertörtchen mit Sahne erinnerte, war also verlobt. Wie schön! Ich freute mich für sie. Wirklich! In dieser Hinsicht hatte ich sie nicht angelogen. Auch wenn ein böses kleines Männchen auf meiner Schulter saß und mir ins Ohr flüsterte: „Du bist die Älteste. Hättest du nicht als erste
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