Aussicht auf Sternschnuppen
zusammengepresst und wurde von der ständigen Angst begleitet, dass einer meiner Kollegen, mein Zahnarzt oder schlimmer noch Opa Wolfgang freischwingend hinter irgendeiner Palme hervorspringen würde. Doch nachdem ich auch nach einer Stunde in kein bekanntes Gesicht geblickt hatte, begann ich mich zu entspannen und traute mich sogar, nackt in dem großen Champagnerpool herumzuschwimmen und mich unter riesige Callablüten zu stellen, von denen sich schwallartig Wasser ergoss, um mich abzukühlen.
Am Ende des Tages entschlossen Mia und ich uns noch zu einem letzten Aufguss in der Keltensauna. Dieser spezielle Aufguss schien sich großer Beliebtheit zu erfreuen, denn schon bald war der Raum so proppenvoll, dass ich mich unangenehm an meinen ersten und einzigen Urlaub am Strand von El Arenal erinnert fühlte. Dann betrat der Saunaboy den Raum. Er trug kurze weiße Shorts und ein orangefarbenes T-Shirt, auf dessen Rückseite die Aufschrift Paradise Guide prangte, und er hatte, das konnte ich selbst im schummerigen Licht der Sauna sehen, ziemlich muskulöse Oberarme.
„Ein leckeres Kerlchen“, flüsterte Mia mir gut hörbar zu, was ihr einen Fußtritt von mir einbrachte.
Unser Paradise Guide hatte eine große, zwei Meter hohe Fahnenstange in der Hand. Er stellte sie in eine Ecke der Sauna, öffnete dann das Fenster und begann, mit einem weißen Handtuch in der Luft herumzufuchteln, um den Raum durchzulüften. Dabei wedelte er so exzessiv, dass der ältere Mann direkt neben ihm einen Zipfel des Handtuchs ins Gesicht bekam, erschrocken zurückfuhr und sich das linke Auge zuhielt. In der Sauna machte sich Gekicher breit. Der Saunaboy aber ließ weiter völlig ungerührt sein Handtuch kreisen. Vielleicht hatte er gar nicht gemerkt, dass der ältere Herr wegen ihm fast erblindet wäre. Dann drehte er sich zu uns um.
„Volk von Kelten und Druiden, seid gegrüßt. Ich bin der Olli und ich werde euch heute Abend mit einem Kiwi-Minz-Aufguss tüchtig einheizen. Dazu habe ich mir ein Hilfsmittel mitgebracht“, begrüßte er uns und versprühte dabei den Charme eines 9-Live-Moderators.
Er nahm die Fahne aus der Ecke und schwang sie einmal über unsere Köpfe. Ihr Stab war nicht nur zwei Meter lang, sondern sie hatte auch die gleiche Reichweite. Mir wurde ein wenig mulmig zumute, wenn ich daran dachte, was er mit einem vielleicht 50x100 cm kleinen Handtuch schon alles angerichtet hatte.
Umständlich erzählte Olli noch ein wenig die Geschichte der keltischen Sauna und riet dann, diese zu verlassen, wenn wir merkten, dass wir Kreislaufprobleme bekämen.
„So, jetzt aber genug der Worte. Ich fange mit dem ersten Aufguss an, dann kommt noch ein zweiter und danach habe ich nur noch eine Bitte an euch.“ Er machte eine dramatische Pause und wir sahen ihn gespannt an. „Lasst mich als ersten wieder raus!“
Der Aufguss begann damit, dass er aus einem der beiden Eimer, die er mitgebracht hatte, Eiswürfel auf heiße Steine kippte, die leise aufzischten. Dann ließ Olli einen Schwall Kiwi-Minz-Wasser folgen und griff zur Fahne. Er musste neu im Thermen-Team oder zumindest im Bereich der Keltensauna sein, das wurde mir spätestens jetzt klar, denn bei seinen unbeholfenen Achterschwüngen schlug mir nicht nur heiße Luft entgegen. Nachdem die Fahne mehrere Male nur wenige Millimeter an meinem Gesicht vorbeigesaust war, verfluchte mich dafür, einen Platz auf einer der oberen Etagen und nicht weiter unten gewählt zu haben. Vor allem deshalb, weil sich die Temperatur in der Sauna in kürzester Zeit verdoppelt hatte. Und so hoffte ich verzweifelt, ein weiteres Mal von Kiwi mit Minze verschont zu bleiben. Doch Olli schien gerade erst in Fahrt zu kommen. Seine Bewegungen wurden schneller und schwungvoller, sein Oberteil war schweißdurchtränkt und auf seinem Gesicht lag ein ekstatischer Ausdruck.
Ich musste raus hier. Sofort! Und die Gelegenheit war günstig, denn der Saunaboy stand gerade mit dem Rücken zu mir und wedelte den nackten Leibern auf der gegenüberliegenden Seite Luft zu. Etwas wackelig erhob ich mich und wollte gerade meinen Fuß eine Etage weiter heruntersetzen, als sich Olli schwungvoll zu mir umdrehte und dabei die Fahne von oben nach unten zog. Ich sah nur noch etwas Weißes auf mich niedersausen und als ich wieder einigermaßen klar denken konnte, saß ich im Vorraum der Keltensauna auf einem Holzschaukelstuhl und Mia hielt mir einen nassen Lappen auf den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, wie ich aus der Sauna heraus
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