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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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heiraten sollen?“

    Langsam stand ich auf und wollte mich gerade auf den Rückweg begeben, als ich sah, wie über meinem Kopf ein Fenster geöffnet wurde. Das Gesicht der alten Frau erschien. Sie blickte einen kurzen Moment in die nächtliche Gasse hinein, dann zog sie den Vorhang zu und löschte das Licht im Zimmer.
    Enttäuscht starrte ich einige Augenblicke nach oben. Da war er nun, mein Schlüssel. Nur wenige Meter von mir entfernt und doch unerreichbar. Manchmal konnte das Leben wirklich grausam sein!
    Als ich mich gerade abwenden wollte, ging auf einmal die automatische Schiebetür des Hotels auf und die alte Frau schritt hinaus. Sie nickte mir freundlich zu und verschwand dann am Ende der Gasse in einer Seitenstraße.
    Ich atmete auf. Sie hatte mich nicht erkannt. Natürlich nicht! Wieso sollte sie auch? Ich warf einen Blick auf ihr Fenster. Es stand immer noch offen. Wie leichtsinnig! Wo doch jeder wusste, dass in Italien an jeder Ecke Einbrecher lauerten! Und dieses geöffnete Fenster war quasi eine Einladung. Denn über das rostige Baugerüst daneben wäre es ein leichtes, in das Zimmer einzusteigen. Apropos Einladung! Hm! Hatte ich vorhin noch betont, dass ich nicht an Zeichen glaubte? Ja? Dann hatte ich Unsinn geredet! Denn das offene Fenster war ein Zeichen! Direkt vom Herrgott zu mir gesandt. Um mich aus einer ausweglos scheinenden Lage zu befreien. Meine Kirchgänge an Ostern und Weihnachten zahlten sich endlich aus! Denn vielleicht befand sich mein Schlüssel gerade auf dem Weg zur nächsten Polizeidienststelle. Aber vielleicht befand er sich auch hinter einem einladend offenen Fenster, nur wenige Meter von mir entfernt. Ich musste es versuchen!
    Der einzige Risikofaktor an meinem Plan war der Moment, in dem ich mich von dem Baugerüst ins Fenster schwang. Sollte mich bei meinem Auf- oder Abstieg jemand erwischen, konnte ich vorgeben, herausfinden zu wollen, ob man von der obersten Plattform des Gerüsts einen Blick über das nächtliche Verona erhaschen konnte. Und dies war doch nicht strafbar, oder? Ich würde wahrscheinlich nicht mehr als 30 Sekunden brauchen, um in das Zimmer zu gelangen und weitere 60 Sekunden, um mich dort kurz umzusehen. So groß konnte das Risiko, erwischt zu werden, also überhaupt nicht sein! Die alte Frau hatte das Hotel gerade erst verlassen. Bis sie wiederkam, war ich längst fort und hatte im Idealfall meinen Autoschlüssel in der Hand. Unauffällig schlenderte ich zu dem Gerüst und rüttelte daran. Es schien stabil.
    Bevor mich der Mut verlassen konnte, stellte ich meine Handtasche auf den Boden, setzte einen Fuß auf eine Querstrebe des Gerüsts und zog mich probeweise nach oben. Es war noch einfacher, als ich gedacht hatte. Ich stellte meinen Fuß auf die zweite Querstrebe, dann auf die dritte und konnte schon den Rand des geöffneten Fensters erreichen. Noch einmal warf ich einen prüfenden Blick in die Gasse. Kein Mensch war zu sehen! Schnell schwang ich mein Bein über das kleine Fensterbrett und verschwand auch schon im Dunkel des Zimmers. Und drinnen war es ziemlich dunkel.
    Zum Glück fiel mir mein Handy ein. Ich zog es aus der Hosentasche und drückte auf eine Taste. Im schwachen Schein des Displays konnte ich einen kleinen länglichen Raum erkennen, der von einem einzelnen Bett dominiert wurde. Gegenüber an der Wand befand sich eine cremefarbene Holztür. Links davon zweigte eine Schiebetür ab. Rechts von mir standen ein Schreibtisch und eine Bank. Und links von mir, auf einem beigen Hocker neben dem Bett, lag … mein Autoschlüssel. Noch drei Schritte trennten mich von ihm, noch zwei, noch einer und schon hielt ich ihn in der Hand.
    Liebevoll presste ich ihn an meine Brust und wollte gerade den Rückzug antreten, da hörte ich das Geräusch des Türöffners.
    Das konnte nicht sein! Die alte Frau hatte das Hotel doch gerade erst verlassen. Ich musste mich verstecken. Aber wo? Hektisch blickte ich mich um. Vielleicht unter das Bett! Nein! Zu wenig Platz! Hinter den Vorhang! Nein! Zu spät! Im nächsten Moment ging die Tür auf und das Licht wurde eingeschaltet. Die kleine ältere Frau im Türrahmen starrte mich an. Ich starrte zurück, unfähig, mich zu bewegen.

    Seltsam, wozu der Mensch in Stresssituationen fähig ist, denn obwohl mein Gehirn keinen klaren Gedanken fassen konnte, funktionierte mein Mund tadellos und ich hörte mich mit schriller Stimme sagen: „Was machen Sie in meinem Zimmer?“
    Doch kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, sah ich

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