Aussicht auf Sternschnuppen
gekommen war. Aber Mia versicherte mir, dass sie mich zwar stützen musste, ich den Raum aber aufrecht verlassen und mein Handtuch alle verfänglichen Regionen verhüllt hätte.
Der ungeschickte Paradise Guide, der diese Bezeichnung, wie ich erbost dachte, völlig zu Unrecht trug, kniete vor mir und redete zusammenhanglos auf mich ein. Ich verstand nicht so genau, was er von mir wollte, aber ich machte den Fehler, dabei in seine Augen zu schauen …, und die waren wirklich schön. Groß und braun, Teddybärenaugen, von einem Kranz dunkler, langer Wimpern umgeben. Meine Knie gaben nach und ich war froh, auf einem Stuhl zu sitzen.
Er fragte mich, ob er mich und Mia zur Wiedergutmachung zu einem Getränk im Thermencafé einladen dürfe, seine Schicht sei gleich zu Ende. Ich nickte wortlos. Selbst die unschöne Beule, die sich wie ein Maulwurfshügel auf meiner Stirn breit zu machen begann, konnte der Situation nichts von ihrem Zauber nehmen.
Das Bild von Arthur verflüchtigte sich innerhalb einer Nanosekunde und wurde durch einem Fremden mit Namen Olli ersetzt, einem Paradise Guide, der die wunderschönsten Augen auf der ganzen Welt hatte. Und die Tatsache, dass er ein klein wenig steif und unbeholfen wirkte, diese Unvollkommenheit machte ihn in meinen Augen noch viel attraktiver. Ich glaubte zu schweben.
Mia war sich im Nachhinein ziemlich sicher, dass der Schlag mit der Fahnenstange an dem verklärten Blick Schuld war, mit dem ich Olli in den ersten Wochen nach unserem Kennenlernen gesehen hatte.
Denn die Ernüchterung erfolgte relativ schnell.
Ja, wahrscheinlich hatte ich es indirekt Olli zu verdanken, dass ich heute hier saß. Denn hätte er mich nicht zu einem zittrigen Häufchen Unsicherheit gemacht, wäre ich nicht davor zurückgeschreckt, Giuseppe noch in München auf die SMS anzusprechen und der Wahrheit direkt ins Auge zu blicken.
Warum hatte ich an den Italienisch I-Kurs nicht noch einen zweiten angehängt? Dann hätte ich meinen Einbruch in das Pensionszimmer vielleicht erklären können. Ich schaute auf die Uhr. Schon nach zehn! Nils würde seit einer halben Stunde auf mich warten. Ich musste ihm Bescheid sagen. Er konnte mir vielleicht helfen. Ein Versuch war es wert. Ich schlug gegen die Zellentür.
„Hallo, kann mich jemand hören? Hallo!“
Als sich nichts tat, rüttelte ich noch etwas energischer.
Der Polizist schob die Klappe in meiner Tür zurück und sah mich mürrisch an.
„Che cosa sta succedendo?“, fragte er.
Was los war? Na, der Kerl hatte Nerven. Ich saß in einem italienischen Gefängnis fest. Und ich wollte raus, so schnell wie möglich. Das war los. Am liebsten hätte ich ihn an seiner Kette gepackt und tüchtig geschüttelt. Aber ich hielt mich zurück. Wohin unbeherrschtes Verhalten führen konnte, hatte mir meine Schlüsselattacke schließlich deutlich gezeigt.
„Vorrei telefonare.“ Ich hielt mir ein imaginäres Handy ans Ohr.
„No!“ Der Polizist schüttelte energisch den Kopf.
„Per favore! Voglio telefonare a mio amico! Lui parla Italiano“, flehte ich und hoffte, dass der Polizist es als genauso erstrebenswert ansah wie ich, Nils als Übersetzer zu Rate zu ziehen.
Er überlegte einen Moment, dann nickte er und öffnete mir die Tür. Er führte mich in das Büro zurück und wies auf ein Telefon. Doch ich wusste Nils’ Nummer nicht auswendig.
Hilflos zeigte ich auf die Tasten des Telefons und zog dann die Schultern nach oben. „Ich brauche meine Tasche. Borsetta.“
Der Polizist verließ kurz den Raum und kam mit einem Plastikkasten wieder, in dem sich der Inhalt meiner Tasche und unter anderem auch Nils’ Zettel mit der Handynummer befand. Er reichte ihn mir herüber.
„Cinque minuti“, sagte er, blieb aber so eng neben mir stehen, dass ich meinen Arm kaum frei bewegen konnte.
Nils ging sofort an sein Handy.
„Wo bleiben Sie?“, fuhr er mich an. „Sie wollten um zehn Uhr hier sein.“
„Nils, Schätzchen, ich bin’s, deine Freundin Helga. Mir ist etwas furchtbar Lästiges passiert“, erklärte ich ihm und hörte mich dabei wahrscheinlich an wie Fee. „Bitte hör mir gut zu. Ich sitze hier in Verona im Gefängnis, weil es so aussieht, als sei ich in ein Hotelzimmer eingebrochen. Kannst du dir das vorstellen? Ich!“ Ich lachte gekünstelt. „Es ist natürlich alles ein einziges Missverständnis, aber ich kann es leider nicht aufklären. Dafür spreche ich zu wenig Italienisch. Du musst kommen und mir helfen!“
Stille am anderen Ende der
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