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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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sich dann mir gegenüber. Er griff sich einen Bogen weißes Papier und fing mit seinem Verhör an, beziehungsweise er wollte damit anfangen. Nach der ersten Frage, Wie heißen Sie? , verstand ich nämlich kein Wort mehr. Denn Deutsch sprach er überhaupt nicht und sein Englisch war mehr schlecht als recht. Mich selbst hatte der Volkshochschulkurs Italienisch I zwar auf das Einkaufen im Supermarkt oder den Besuch eines Restaurants vorbereitet, nicht aber auf den Aufenthalt in einem Polizeirevier.
    Nach fünf Minuten gab der Polizist sichtlich genervt mit seiner Fragerei auf und reichte mir den Bogen, auf den er vorher gekritzelt hatte, einfach herüber. Ich warf einen Blick darauf und sah, dass er, wie ich schon vermutet hatte, wohl meine Personalien erfassen wollte. So gut ich konnte, füllte ich das Blatt aus.
    Nach dem wenig erfolgreichen Verhör wurde ich in eine kleine Zelle gesperrt und der Polizist ließ mich alleine, wobei ich hoffte, dass er sich unverzüglich auf die Suche nach einem Kollegen machte, der zumindest einigermaßen Englisch sprach, oder am besten gleich einen Dolmetscher herbestellte. Denn dieser Raum hatte leider sehr wohl Ähnlichkeit mit den Zellen, die man aus Film und Fernsehen kannte.
    Deprimiert setzte ich mich auf die papierdünne Matratze meines Klappbetts und überlegte, welcher Teil meiner Biographie daran schuld war, dass ich mich heute in einem Gefängnis in Verona wiederfand.

    Fast war ich geneigt, meinen Eltern die Schuld daran zu geben. Sie hatten schließlich jahrelang mein Geschlecht ignoriert und mir auch durch ihre Namenswahl deutlich zu verstehen gegeben, dass ich anders war als meine drei Schwestern. Auf der anderen Seite hatten sie mir trotz all meiner Defizite immer gezeigt, dass sie mich liebten, und ich konnte mir bei all meinen Vorhaben ihrer vollen Unterstützung sicher sein. Fast schon zu sehr! Denn die rosafarbene Brille und die blaue Zahnspange mit den Glitzerpartikeln hätten sie mir wirklich nicht durchgehen lassen müssen. Beide, so vermutete ich stark, waren schuld daran, dass ich, seitdem ich sechzehn war, derart gedeckte und unauffällige Farben trug, dass man Probleme hatte, mich zu erkennen, wenn ich mich vor eine Natursteinmauer stellte.
    Nein, in meiner Kindheit und Jugend war kein Ansatz dafür zu finden, dass ich jetzt an einem Punkt meines Lebens stand, an den ich nie wollte!
    Ich war 36, kinderlos, wahrscheinlich bald wieder Single und hatte nichts vorzuweisen, außer einem leidlich gut bezahlten Job, einer schönen, aber leider nur gemieteten Wohnung in der Münchner Innenstadt und womöglich einer Vorstrafe wegen versuchten Einbruchs und/oder Körperverletzung.
    Dabei hatte die ganze Sache doch eigentlich so vielversprechend angefangen und ich war bereits als Jugendliche kaum einen Steinwurf von Haus, Mann und Kind entfernt gewesen:
    Thomas, mein erster Freund, hatte mich während unserer Beziehung vergöttert. Er arbeitete als Elektriker und die Tatsache, dass er ein eigenes Auto besaß, entschädigte mich ausreichend für seine Pornosammlung, die sich in ihrer Größe antiproportional zu seinem IQ verhielt.
    Ich musste jedoch mein Glück auf die Probe stellen und so wurde Thomas nach drei Jahren nahtlos von einem seiner besten Freunde abgelöst – so nahtlos, dass er den Wechsel in meinem Beziehungsleben selbst erst nach zwei Wochen durch einen gemeinsamen Bekannten erfuhr.
    Im Nachhinein vermutete ich stark, dass das miese Karma, das ich durch mein feiges Verhalten auf mich geladen hatte, daran schuld war, dass mich Arthur, so hieß der Freund nämlich, nach zehn gemeinsamen, für mich sehr glücklichen Jahren wegen einer Brünetten verließ, die Ähnlichkeit mit der jungen Heidi Klum hatte.
    Und dann traf ich Olli! Bereits bei unserer ersten Begegnung hätte ich wissen müssen, wie die ganze Sache enden würde. Aber in meiner Angst vor dem Alleinsein wäre mir wahrscheinlich auch Mike Tyson wie ein netter, freundlicher Typ erschienen.

    Ich hatte Olli in der Sauna kennen gelernt. Ein toller Ort für eine erste Begegnung, meinte Mia. So wisse man zumindest direkt, woran man sei und würde nicht die Katze im Sack kaufen. Sie hatte mich in die Therme Erding eingeladen, um mich von meinem Liebeskummer wegen Arthur und dem Heidi-Klum-Double abzulenken.
    Obwohl ich das großzügige Gebäude mit der hohen Glaskuppel und der Südseeatmosphäre sehr schön fand, war ich anfänglich etwas angespannt. Krampfhaft hielt ich mein Handtuch vor meiner Brust

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