Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
Vom Netzwerk:
Töne von Chris de Burghs Lady in Red .
    Verstohlen wischte ich mir einige Tränen aus den Augenwinkeln und schnäuzte mir kurz die Nase.
    Angela und Ernesto fingen an, zu tanzen. Sie hatte ihren Kopf auf seine Schultern gelegt und hielt die Augen geschlossen. Giuseppe und ich folgten ihrem Beispiel.
    Ich fühlte mich wie verzaubert, versuchte jeden Gedanken auszublenden, hörte nur der wehmütigen Stimme des Sängers zu und schmiegte mich eng an Giuseppe. Minutenlang.
    Doch kaum dass die letzten Töne verhallt waren, machte er sich auf einmal von mir los.
    „Ich muss noch etwas erledigen“, sagte er.
    „Was denn?“
    Aber Giuseppe war bereits verschwunden. Ich kam erst gar nicht dazu, mich in der Menge der Tanzenden ein wenig verloren zu fühlen, denn Salvatore stürzte sich auf mich.
    „Wäre sehr froh, wenn würdeste mit mir tanze.“ Er breitete die Arme aus.

    Salvatore war ein viel schwungvollerer Tänzer als sein Sohn. Und er führte auch weitaus energischer. Konsequent lenkte er jeden meiner Schritte, an ein Ausbrechen meinerseits war überhaupt nicht zu denken. Dabei redete er ohne Punkt und Komma auf mich ein und strahlte fortwährend über das ganze Gesicht. Leider verstand ich noch nicht einmal die Hälfte von dem, was er mir sagte. Die Musik war zu laut, sein italienischer Akzent zu stark. Außerdem neigte er zu Gedankensprüngen. Hatte er mir gerade noch seine frühere Wohnung im Frankfurter Hafenviertel beschrieben, erzählte er jetzt von Giuseppes Onkel Giovanni, der an der Milz operiert werden musste und deswegen nicht zur Goldenen Hochzeit kommen konnte. Vielleicht hatte ich den Übergang von dem einen Gesprächsthema zu dem anderen aber auch nur während einer der vielen Drehungen verpasst.
    Am Anfang versuchte ich noch, mich noch zu konzentrieren, um ja kein Wort von ihm zu versäumen, doch nachdem ich erst einmal erkannt hatte, dass er an einem Dialog mit mir überhaupt nicht interessiert zu sein schien, begnügte mich damit, in jeder seiner kurzen Pause ein zustimmendes Hmm hören zu lassen und beobachtete stattdessen fasziniert seinen Mund beim Sprechen.
    Wie kam es nur, dass dieser Mann so aussah, als hätte er mindestens doppelt so viele Zähne im Mund wie ein normaler Mensch? Vorsichtshalber zählte ich nach. Eins, zwei, drei, vier, nein, … je vier Vorderzähne oben und unten und je zwei Eckzähne. Die herkömmliche Anzahl. Vielleicht lag es daran, dass er einen derart breiten Mund hatte, dass man auf jeder Seite auch gleich drei Backenzähne sehen konnte oder weil sie so weiß waren oder an seinen zwei Goldzähnen …
    Salvatore sah mich auffordernd an. Ich hatte wohl etwas verpasst.
    „Entschuldigung, was hast du gesagt? Die Musik ist so laut“, versuchte ich meine gedankliche Abwesenheit zu erklären.
    „Ich habe gesagte, ich müsse wieder zurück zu meiner Carla. Sie wird sonste noch ganz eifersüchtig, wenn ich so viel tanze mit meiner hübschen Schwiegertochter.“
    „Oh, ja, natürlich“, stotterte ich und folgte Salvatore von der Tanzfläche. Schwiegertochter! Giuseppe hatte Recht gehabt! Ein Besuch auf einem Familienfest war gleichzusetzen mit einer Verlobung.
    Zum Glück fing Giuseppe mich am Rand der Tanzfläche ab. „Möchtest du spazieren gehen?“, fragte er und ich nickte.

    Mondlicht drang durch das dichte Dach der alten Bäume, als Giuseppe und ich durch den nächtlichen Park wanderten, der sich nach hinten hinaus schier endlos auszudehnen schien. Wäre Giuseppe nicht bei mir gewesen, hätte ich mich fast ein wenig gefürchtet. Überall wisperte und knisterte es auf unserem Weg und zwischen den Baumkuppen hindurch konnte ich tatsächlich einige Fledermäuse schweben sehen. Auf einer kleinen Lichtung blieb Giuseppe stehen. Er stellte sich vor mich und legte seine Hände auf meine Schultern.
    „Helga, Cara, ich weiß, dass du bestimmt immer noch enttäuscht bist, weil ich dich angelogen habe, aber ich versichere dir noch einmal, dass ich dich damit nicht verletzten wollte. Ich wollte dich erst meinen Eltern vorstellen, nachdem ich etwas anderes erledigt habe.“
    „Was denn?“, fragte ich verwundert.
    Giuseppe ging vor mir auf die Knie und öffnete ein kleines dunkelrotes Kästchen, in dem ein Ring mit einem großen Stein darauf aufblitzte.
    „Was machst du?“ Geschockt wich ich einen Schritt zurück.
    „Cara“, er sah mich mit seinen braunen Augen treuherzig an, „wir sind jetzt seit zwei Jahren zusammen, wir verbringen fast jeden Tag miteinander und ich

Weitere Kostenlose Bücher