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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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untypisch für ihn gewesen. Zu Beginn unserer Beziehung hatte ich mich immer wieder gefragt, ob seine Mutter seinen Vater nicht mit einem Engländer betrogen hatte, so förmlich verhielt er sich oft. Oder ob er nicht sogar vielleicht adoptiert worden war. Außer seinen schwarzen Haaren, den dunklen Augen und der braunen Haut hatte Giuseppe so gar nichts Italienisches an sich. Selbst den obligatorischen Goldschmuck suchte man bei ihm vergebens. Sein einziges Schmuckstück war eine teure Armbanduhr von Maurice Lacroix. Und damit konnte ich leben! Jetzt, wo ich seine Eltern kennen gelernt hatte, hätte sich mein Verdacht noch erhärten müssen. Denn wie kamen zwei kleine, muntere Menschen, die permanent redeten und in Bewegung waren, zu einem über eins neunzig großen, immer etwas steif wirkenden Sohn? Doch nun wusste ich es besser. Unter seiner nüchternen Oberfläche gab es noch einen anderen Giuseppe. Auch in seinen Genen war definitiv der italienische Sinn für Theatralik verankert.
    Eigentlich ganz süß. Ich konnte glücklich sein, einen Mann wie ihn zu haben. Ja, das konnte ich. Aber ich war es nicht. Im Gegenteil. Ich musste raus, sonst würde ich ersticken!
    Vorsichtig schlängelte ich mich unter Giuseppes Gliedmaßen durch und verließ auf Zehenspitzen das Zimmer. Kurz bevor ich die Tür erreichte, murmelte Giuseppe etwas und drehte sich auf die andere Seite. Ich hielt den Atem an, doch er schlief weiter.

    In der Ferne begann es schon hell zu werden, als ich den alten Park der Villa Principessa betrat. Nebelschwaden schwebten wie Fäden von Zuckerwatte über dem feuchten Gras und vereinzelt huschten Vogelstimmen durch die Baumwipfel, erhoben sich plötzlich und verstummten ebenso abrupt wieder, als müssten sie erst noch auf das Auftauchen der Sonne warten.
    Ich setzte mich auf eine Bank, die in einer kleinen Laube stand, atmete tief die süßliche Morgenluft ein und hoffte verzweifelt, dass sich das dumpfe Gefühl in meinem Kopf verziehen würde und ich endlich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.
    Giuseppe und ich würden heiraten, vielleicht sogar dieses Jahr noch. Ich drehte den Ring an meinem linken Ringfinger hin und her. Wir würden ein Baby miteinander haben. Eine kleine Familie sein, so wie Angela, Ernesto und Nevio. Ich versuchte, mir uns drei vorzustellen, hübsch angeordnet wie auf einem altmodischen Familienbild in Sepia: Ich auf einem Stuhl sitzend, das Baby auf meinem Arm und Giuseppe, wie er stolz hinter uns beiden stand, eine Hand auf meiner Schulter. Doch egal wie sehr ich mich auch anstrengte, das kleine Bündel auf meinem Arm blieb gesichtslos, die von mir erdachte Szene starr und ohne Leben. Und in mir regte sich nichts, außer einer spinnwebenzarten Traurigkeit über das, was hätte sein können.

    Ich hatte Giuseppe auf der Geburtstagsparty einer Kollegin von mir kennen gelernt. Er war mir gleich aufgefallen. Sein Lächeln, seine schwarzen Locken und vor allem seine Größe. Nach nur drei Treffen zogen sein Pyjama und seine Zahnbürste in meine Altbauwohnung ein und von diesem Zeitpunkt an hatten wir fast jeden Tag miteinander verbracht. Unsere Beziehung war nicht die leidenschaftlichste, aber wir verstanden uns gut und von leidenschaftlichen Auseinandersetzungen und den darauf folgenden noch leidenschaftlicheren Versöhnungen hatte ich sowieso die Nase voll. Nach den Jahren mit Olli erschien mir Giuseppe wie ein Geschenk des Himmels.
    Die Beziehung mit Olli war ein ständiger Tanz auf einem Hochseil gewesen: Ein Pullover in der falschen Farbe oder ein zu schweres Parfüm konnten ihm den Tag verderben und dafür sorgen, dass er komplett ausflippte. Zog ich mich daraufhin von ihm zurück, kam er wieder angekrochen. Ließ ich mich wieder auf ihn ein, stieß er mich erneut von sich.
    Zunächst suchte ich die Schuld für sein Verhalten bei mir und dachte, ich müsse mich einfach mehr zusammenreißen, anstrengen, was auch immer. Ich versuchte, Verständnis für ihn aufzubringen, Geduld mit ihm zu haben, zum Schluss auch, ihn zu ändern, aber im Endeffekt änderte ich nur eine Person, nämlich mich selbst. Letztendlich bemerkte ich erst zu spät, dass Olli sich nur dann stark fühlen konnte, wenn er andere erniedrigte.
    Und leider hatte er vor meiner Erleuchtung auch selbst eine gehabt und festgestellt, dass es auf Dauer langweilig war, immer nur den gleichen Menschen zu quälen.
    Die neue Frau an seiner Seite hieß Nathalie. Ich hatte sie einmal auf einer Party an der Uni gesehen.

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