Aussicht auf Sternschnuppen
genieße jede Sekunde unseres Zusammenseins. Du bist die Frau, mit der ich alt werden möchte. Willst du mich heiraten?“
Mir stockte der Atem und ich starrte ihn an. Giuseppe machte mir gerade einen Antrag!
Wie reagierte man in solch einer Situation richtig? Fing man hysterisch an zu schreien vor Glück, begann man unverständliche Worte vor sich hin zu stammeln oder schlug man die Hände vor dem Gesicht zusammen und schluchzte: „Du bist verrückt. Mit so etwas hätte ich ja überhaupt nicht gerechnet?“ Meiner gegenwärtigen Verfassung wäre das Gestammel sehr entgegengekommen. Und mit dem Antrag gerechnet hatte ich selbstverständlich auch nicht. Natürlich hatte ich mir von der Sternschnuppe am Gardasee einen Heiratsantrag gewünscht. Aber doch nicht sofort. Und in meinem Wunsch hatte ich auch nichts davon gesagt, dass mein Ehemann in spe sich vor mir auf die Knie werfen sollte wie ein Knappe kurz vor dem Ritterschlag. So viel Leidenschaft war ich von Giuseppe nicht gewohnt. Ich fühlte mich mit der Situation überfordert.
„Willst du mich heiraten?“, fragte Giuseppe noch einmal, dieses Mal mit ein wenig unsicherer Stimme.
„Ja“, flüsterte ich, weil mir beim besten Willen sonst nichts einfiel und Giuseppe streifte mir mit erleichtertem Gesicht den Ring über.
„Damit machst du mich zum glücklichsten Mann auf der ganzen Welt.“ Er erhob sich und sah mir tief in die Augen.
Die Nachricht von Giuseppes und meiner Verlobung schlug auf der Feier ein wie eine Bombe. Einen kurzen Moment war es still, nachdem Giuseppe auf der Bühne gestanden und der Menge verkündet hatte: „Helga und ich werden heiraten.“ Die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm! Doch dann brachen der Applaus und das Geschrei orkanartig hervor. Salvatore und Carla fielen über uns her und drückten abwechselnd Giuseppe und mich an sich, begleitet von unzähligen mio dio -Rufen, und ihnen folgte jeder einzelne der 150 anwesenden Gäste.
Erst nach einer halben Stunde ließ ich mich beschwipst vom vielen Anstoßen mit Prosecco und ein wenig ermattet auf eine der Liegen am Pool sinken. Giuseppe setzte sich neben mich und zusammen schauten wir auf die erleuchtete Wasseroberfläche, in der sich die Lichter unzähliger Lampions spiegelten.
Obwohl es schon spät war, mittlerweile bestimmt elf Uhr, war die Luft immer noch lau. Durch die Wipfel einiger Bäume schien der schwarzen Nachthimmel hindurch, nur von einigen Sternen erleuchtet. Im Hintergrund sang der Gitarrist der Band das Lied Wonderful tonight von Eric Clapton, mit seiner rauen, dunklen Stimme.
„Wie kommt es, dass du den Ring heute dabei hattest? Du wusstest doch gar nicht, dass ich hier sein würde“, fragte ich Giuseppe etwas, was mich schon seit seinem Antrag brennend interessierte.
Er zog mich an sich. „Ich habe ihn schon vor vier Wochen in München gekauft und seitdem immer in meiner Tasche getragen.“
„Aber warum hast du mir den Antrag nicht schon dort gemacht? Wir hätten gemeinsam nach Italien fahren können. Es wäre erst gar nicht zu diesem ganzen Chaos gekommen.“
„Du warst so mit deiner Arbeit beschäftigt, ich mit meinem Projekt, wir haben uns kaum gesehen. Ich wollte auf den richtigen Augenblick warten.“
„Und der wäre wahrscheinlich nie gekommen, wenn ich dir durch mein Erscheinen hier nicht das Messer auf die Brust gesetzt hätte“, dachte ich zynisch, schämte mich aber sofort wieder dafür. Ich war unfair! Oder etwa nicht?
Schweigend betrachtete ich den Ring an meiner Hand, er glitzerte und funkelte und war wunderschön. Und Giuseppe sah so gut aus, wie er im Schein des Mondes neben mir saß. Sein Antrag war romantisch gewesen. Vielleicht etwas übertrieben, aber romantisch.
Warum, um Himmelswillen fühlte ich mich trotz allem so, als ob ich nur den Trostpreis gewonnen hätte?
Ich schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken zu vertreiben. Die italienische Luft hatte mir die Sinne benebelt. In München, in meiner gewohnten Umgebung, würde sich bestimmt alles von selbst wieder richten.
„Lass uns zu deinen Eltern gehen!“
In dieser Nacht machte ich kein Auge zu und ich merkte, dass der ständige Schlafmangel, mit dem ich seit drei Tagen zu kämpfen hatte, mir langsam an die Substanz ging.
Giuseppe schlief neben mir wie ein Baby und in seiner bevorzugten Position. Alle Arme und Beine um mich geschlungen und so eng an mich gekuschelt, dass kaum ein einziges Blatt Papier zwischen uns gepasst hätte. Sein Antrag war wirklich ganz und gar
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