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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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Still-BH geöffnet hatte, war das getrocknete Gras des letzten Sommers auf das Gesicht ihres Babys gefallen. Kleine Samenkörner hatten sich hartnäckig an Nells perfekter Haut festgehalten. Kate hatte sie mit ihren schmutzigen Fingern zärtlich weggewischt, damit sie nicht in Nells Augen kamen.
    Jetzt, bei diesem Sturm, war Kate froh, dass sie sich, von Annabelle und der Enge des Farmhauses befreit, draußen im Freien aufhalten konnte und Nell bei sich hatte. Sie ging mit kräftigen Schritten den Hügel hinauf, während ihr Grumpy auf dem Fuß folgte.
    Als sie den Hund endlich anwies, die Schafe zusammenzutreiben, schoss er in perfekter Collie-Manier davon und machte sich an die Arbeit, ohne dabei die Tiere im Geringsten zu erschrecken. Jetzt wusste Kate, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Er würde die Herde zusammenhalten, während sie zurückging und den Pick-up holte. Sie hätte ihm von Anfang an vertrauen sollen. Vor allem hätte sie wissen müssen, dass Wills Hund ebenso sanft und freundlich wäre, wie er selbst es war. Am Pick-up angekommen, klopfte sie lächelnd an die Fensterscheibe und winkte Nell zu. Nell winkte lachend zurück, wobei ihr einige Rosinen aus dem Mund fielen.
    Kate fuhr mit dem Pick-up über den felsigen Boden des Hügels, wobei sie die Schafe auf der einen Seite leitete, während Grumpy das hintere Ende der Herde kontrollierte. Der Hund beschrieb dabei Halbbogen,
so als würde er den unsichtbaren Umriss einer Mondsichel auf dem Gras nachziehen. Wieder und wieder.
    Als sie sich dem Zaun auf der windabgewandten Seite des Hügels näherten, sah Kate das Tor. Die Muskeln in ihrem Nacken und ihren Schultern verspannten sich. Am Horizont ging die kabbbelige See in dunkle, regenschwere Wolken über. Himmel und Meer vermischten sich zu einem einzigen brodelnden, grauen Sturm.
    Am Tor angekommen, stieg Kate aus dem Pick-up und gab Grumpy dann mit erhobener Hand ein Zeichen. Er setzte sich hin, behielt die Leittiere der Herde aber im Blick, bereit, sofort einzugreifen, wenn eines von ihnen versuchen sollte auszubrechen. Kate ging zum Tor, um es zu öffnen. Sie versuchte, dabei nicht hinzusehen, aber sie konnte einfach nicht anders. Da war der verbogene Rahmen, die verzogenen Angeln, dort wo die Bolzen den Spannpfosten gerade noch gehalten hatten. Die Schleifspuren auf dem Boden waren noch gut sichtbar. Farbspray von der polizeilichen Untersuchung und die zerfetzten Reste flatternden gelben Plastikbandes. Alles war da. Der ganze Schrecken. Kate brach in Tränen aus, aber der Wind riss ihr Schluchzen mit sich fort. Sie hatte Nell den Rücken zugewandt, damit ihre Tochter sie nicht sehen konnte. Sie rüttelte wütend und mit zusammengebissenen Zähnen an dem Tor. In ihren Schläfen klopfte das Blut. Sie riss sich die Kappe vom Kopf und legte die Stirn an den kalten Metallrahmen, schlug mit ihrem Kopf so lange dagegen, bis sich ihre Haut rötete und sie den Schmerz zu spüren begann.
    »Will. Mama. Will. Mama«, sagte sie leise immer wieder vor sich hin.
    Hinter ihr begannen sich die Schafe in Bewegung zu setzen. Sofort rannte Grumpy los, um das Leittier zu blockieren. Kate atmete tief ein, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, wischte sich mit der Hand übers Gesicht und hakte dann die widerspenstige Kette auf. Dann öffnete sie das Tor, das Tor, das sie so sehr hasste, dass sie es am liebsten mit ihrem Pick-up aus dem Boden gerissen hätte.
    Sie trat einen Schritt zurück und sah dann dabei zu, wie die Schafe langsam an ihr vorbeiliefen. Versuchte, all das in sich aufzunehmen.
Sah das, was Will zuletzt gesehen haben musste. Das Meer. Dieses herrliche Stück Küste. Die halbmondförmige Bucht. Ein lebendiger Himmel. Ein sicherer Hafen.
    Kate sah zu, wie die Schafe sich ihre Trampelpfade suchten und dann in Richtung der Scheune, wo sie geschoren werden sollten, weitertrotteten. Dann stieg sie wieder in den Pick-up, setzte sich neben Nell und strich ihr über die Haare.
    »Mami hat dich lieb, weißt du«, sagte sie. »Sehr, sehr lieb.«
    »Vogel!«, sagte Nell und zeigte auf einen Seeadler, der hoch über ihnen im Wind segelte.
    »Ja, Schätzchen, es sind sogar zwei. Siehst du sie? Eine Vogelmama …«
    »… und ein Vogelkind!«
    »Ja, Nellie. Und ihr Vogelkind.«
    »Wo ist der Vogelpapa?«
    »Manchmal ist der Vogelpapa einfach nicht da.«
    »Warum?«,fragte Nell.
    »Darum.«
    »Warum darum?«
    »Einfach darum.«

Kapitel 13
    D ie ersten Schafscherer kamen am frühen Morgen des folgenden

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