Australien 01 - Wo der Wind singt
hin und her rennenden Helfern und den Scherern, die sich in ihren Gurten hängend über die Schafe beugten, nicht in die Quere zu kommen. Nell war mit ihren drei Jahren in dieser Hinsicht schon ein alter Hase. Aber wie sollte Henry das wissen? Kate seufzte, als ihr bewusst wurde, wie viel sie ihrem Vater heute und in Zukunft noch beweisen musste.
»Also, Nellie. Wenn wir später mit dem Scheren beginnen, kannst du deinem Opa dabei helfen, die Wollflocken und die Wolle von den Unterseiten zu sortieren. Okay?«
»Ja, Mami. Ich helfe Opa.«
»Prima, Nell. Das freut mich.«
Punkt 7.30 Uhr, gerade als die Männer ihre Arbeitshosen festgeschnürt hatten, um das erste Schaf zu holen, kam endlich Aden. Er brachte eine Deodorantwolke mit. Seine Haare, die vom Duschen noch nass waren, hatte er sorgfältig zur Igelfrisur gekämmt. Sein glattes Gesicht und seine helle Haut standen in scharfem Kontrast zu den sonnengebräunten, gefurchten Gesichtern der Schafscherer. Kate drückte ihm ein Paddel in die Hand.
»Das wurde aber Zeit«, sagte sie und hätte ihn am liebsten in den Hintern getreten, weil er so spät kam. Stattdessen beschloss sie jedoch, Ruhe zu bewahren. Sie musterte demonstrativ seine gestylten Haare. »Nette Frisur.«
»Danke«, sagte er und tätschelte seine blondierten Haarspitzen, ohne sich von ihrem Sarkasmus auch nur im Geringsten irritieren zu lassen.
»Warst du schon einmal beim Scheren dabei?«, fragte sie.
»Nein. Ich habe nur danach den Boden gefegt, als ich das letzte Mal hier war.«
»Toll«, sagte sie kühl. »Bei vier Scherern hast du jede Menge zu tun, deshalb musst du sehr schnell sein. Okay? Ich werde dir erst einmal helfen, später musst du dann allein zurechtkommen.«
Er nickte, wobei ein eifriger Ausdruck auf seinem schmalen Gesicht lag.
Als die Männer ihre ersten Schafe zu scheren begannen, stützte Aden sich auf sein Paddel und sah fasziniert dabei zu, wie sie mit ihren Schermessern durch die Wolle am Bauch der Tiere fuhren.
»Regel Nummer eins«, sagte Kate und trat ihm dabei mit dem Fuß das Paddel weg. »Stütz dich niemals auf einen Besen oder ein Paddel. Ein guter Helfer ruht sich niemals aus.«
Erschrocken stellte sich Aden aufrecht hin. Anscheinend wurde ihm erst jetzt klar, dass dieser Tag wohl wesentlich mehr Arbeit für ihn bereithielt, als er sich vorgestellt hatte. Kate zeigte ihm mit fachmännischen Handgriffen, wie er die Wolle, die vom Bauch der Schafe stammte, zuerst säubern musste. Sie bewegte sich schnell und zielgerichtet in der Scheune, und erklärte ihm dabei, dass er die kurzfaserige Wolle, die von den Beinen der Schafe stammte, wegnehmen musste, noch bevor der Scherer die Sprunggelenke schor.
»Wenn du die Wolle vom Hinterbein so schnell wie möglich von der anderen Wolle trennst, hat der Bewerter am Tisch weniger Arbeit. Dort, die Wolle, schnell!« Sie zeigte auf B. D., der gerade mit den Beinen seines Schafes fertig geworden war und es gleich auf die Seite drehen würde.
Aden bemühte sich, Schritt zu halten, während er gleichzeitig völlig verblüfft darüber war, wie präzise und schnell Kate arbeitete. Er war geradezu fasziniert, mit welcher Effizienz und Professionalität Razor, B. D., Rocker und Jonesy die Schafe von ihrer Wolle befreiten, wobei sie dabei anscheinend nur ein Minimum an Energie aufwendeten.
»Du darfst dich niemals ausruhen«, sagte Kate zu Aden, als sie sich bückte und eine Reihe von Zotteln aus einem Vlies zupfte.
»Schau, ob die Wolle verschmutzt ist, so wie hier.« Sie zeigte ihm ein paar getrocknete, grüne Kotbällchen und warf sie dann in einen Eimer. »Wenn du also irgendwelchen Dreck siehst – zupf ihn raus. Und achte darauf, dass die Männer alles haben, was sie brauchen. Der Scherplatz muss sauber sein, wenn das nächste Schaf kommt. Alles klar? Und tu, was sie dir sagen. Mach sie einfach nur glücklich«, sagte sie laut, um das Brummen und Summen der Maschinen zu übertönen.
Während Razor gerade mit dem Hinterteil seines Schafes fertig wurde, ging Kate in die Hocke und zeigte Aden, wie er das Vlies aufheben und auf den Tisch werfen musste, um dann sofort zurückzulaufen und die kurzen Locken wegzufegen, bevor der Scherer mit dem nächsten Schaf kam. Sie deutete auf die Eimer und Körbe, gab ihm Tipps und Hinweise, während sie die ganze Zeit unbeirrt weiterarbeitete. Sie zeigte ihm die Schafe in den Pferchen und den Balken, auf dem der Rötelstift lag, für den Fall, dass sich ein Hammel oder ein
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