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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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über die Schafe in den Pferchen schweifen. Offensichtlich wollte er sich einen Überblick über die Arbeit für den heutigen Tag verschaffen.
    Plötzlich begannen die Hunde zu bellen. Ein dunkler Pick-up hatte vor der Scheune angehalten. Aus dem Wagen stiegen zwei weitere Schafscherer und der Wollroller. Die Männer kamen in die Scheune und begrüßten Kate mit einem Kopfnicken. Es waren Rocker und B. D. Sie waren ebenso wie Razor berufsmäßige Schafscherer. Schließlich war da noch der ruhige und bedächtige Trev, der seinen Platz am Tisch einnehmen würde.
    »Hier haben wir wohl noch eine billige Arbeitskraft. Was sagt denn da der Jugendschutz dazu?«, sagte B. D. und zeigte dabei auf Nell.
    Die Männer lächelten zwar, aber die melancholische Stimmung, die sich in der kalten Scheune ausgebreitet hatte, war mehr als deutlich zu spüren. Wills Tod war ihnen allen noch viel zu gegenwärtig. Sie vermissten seinen herzlichen Empfang. Will, der als Wollbewerter in der Scheune der Boss gewesen war, hatte die Männer in den Pausen mit seinen freundlichen Neckerein immer schnell für sich eingenommen. Außerdem war es ihm mit seiner ungezwungenen, offenen Art stets gelungen, sie in ein Gespräch zu verwickeln. In diesem Jahr war die Traurigkeit der Männer geradezu mit den Händen zu greifen. Dass Will nicht mehr unter ihnen war, machte sie irgendwie befangen.
    »Dann bist du also heute der Wollbewerter und der Boss?«, fragte Razor
und brach damit das Schweigen, das nur vom Trappeln der Schafe auf dem Gitter erfüllt gewesen war. Kate schüttelte den Kopf. Als sie die Schur besprochen hatten, hatte Henry darauf bestanden, höchstpersönlich den Wolltisch zu beaufsichtigen und die Vliese zu bewerten.
    »Nein. Ich bin hier nur der Handlanger, ich kümmere mich in dieser Woche um alles, was hier drin und draußen anfällt. Aden müsste jede Minute hier sein.« Kate warf einen Blick auf die Uhr an der Wand, deren Zeiger sich auf 7.30 Uhr zubewegten.
    »Nun, er sollte sich besser etwas beeilen«, brummte Rocker und bückte sich, um seine grauen Arbeitsschuhe anzuziehen.
    »Er wird schon kommen«, sagte Kate mit wenig Zuversicht in der Stimme. In ebendiesem Moment betrat Henry die Scheune, räusperte sich und murmelte dann den Männern einen Gruß zu. In seinem marineblauen, wollenen Arbeitspullover und dem blau karierten Hemd, dessen Kragenecken aus dem Ausschnitt hervorsahen, sah er wie ein typischer Farmer aus. Er nahm seinen Hut ab und hängte ihn an denselben Nagel, an den er ihn jedes Jahr hängte. Als er dann zum Wolltisch hinüberging, zog er angesichts der Ansammlung von Kinderspielzeug in der Ecke eine Augenbraue hoch.
    »Dort kommen normalerweise die farbigen Vliese hin«, sagte er mit unüberhörbarem Vorwurf in der Stimme.
    Kate spürte, dass sie rot wurde. Sie wusste selbst, dass im Laufe des Tages, wenn sich die Vliese erst einmal zu stapeln begannen, der Platz in der Scheune knapp würde. Als sie diesen Bereich für Nell beansprucht hatte, war ihr bewusst gewesen, das sie damit das altbewährte System in Frage stellte – ein System, das Will, seit er seine Zulassung als professioneller Wollbewerter bekommen hatte, stetig verfeinert hatte.
    »Ich weiß, Dad. Aber können wir nicht eine Vliesreihe direkt in die Presse geben. So könnten wir ein bisschen Platz sparen.«
    Ihr Vater zuckte ärgerlich mit den Schultern und ging dann davon, um eine der steifen Wollverpackungen auseinanderzuschütteln und in ein Metallgestell zu spannen.
    Kate warf wieder einen Blick auf die Uhr und wünschte sich verzweifelt,
dass Aden endlich kommen würde. Sie rief Nell zu sich, ging dann in die Hocke und nahm ihre Hände.
    »Mami muss heute und auch die nächsten Tage hier arbeiten. Du musst schön brav sein, damit der Opa nicht böse wird. Okay? Pass auf.« Kate nahm ein Stück Kreide von der Anschreibetafel und malte damit einen Strich auf den Boden.
    »Du darfst nicht über diese Linie gehen, sonst bist du den Männern im Weg. Verstanden? Kleine Mädchen müssen hinter dieser Linie bleiben. Ja?« Sie zeichnete ein Strichmännchen, zog einen Kreis darum und strich das Ganze dann durch.
    Nell nickte. Sie wusste, dass die Schafschur eine wichtige und ernstzunehmende Sache war. Sie war schon als Baby auf Maureens Farm bei jeder Schur dabei gewesen. Sie war das laute Rattern der Blechwände, das Jaulen der Wollpresse unter Volllast und das plötzliche Krachen eines Besens gewohnt. Sie wusste, wie sie sich verhalten musste, um den

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