Australien 02 - Der Sternenleser
Wie war es möglich, dass er zwischen einem Mann und dem ihm gebührenden Leben stehen konnte?
»Also gut, Leutnant Rooke. Meinetwegen sollen Sie Ihre Landspitze haben. Möge der königliche Astronom seinen Kometen bekommen. Aber seien Sie gewarnt, beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten irgendwelcher Art werden Sie zurückbeordert. Die Zahl der uns zur Verfügung stehenden Soldaten ist nicht sehr groß. Irgendwann wird vielleicht jede Muskete gebraucht werden. Und Leutnant«, – er senkte die Stimme – »da wir gerade davon sprechen, bitte sorgen Sie dafür, dass Ihre Waffe stets geladen ist.«
In diesem Moment eilte geschäftig ein Gefreiter herbei, und die Unterredung war beendet.
Als Rooke außer Sichtweite des Gouverneurs war, blieb er stehen und legte die Hand an seine Wange, die vor Angst um das, was er um ein Haar verloren hätte, regelrecht brannte.
Das war knapp , dachte er. Gerade noch vorbeigeschrammt . Wieso eigentlich geschrammt? Was für eine Schramme? Es war eine Erleichterung, sich Gedanken über diesen lächerlichen Ausdruck machen zu können statt darüber, was nun wäre, wenn der Gouverneur Bedaure, Leutnant, aber mein Entschluss ist endgültig, bitte keine weiteren Nachfragen gesagt hätte.
Er musste stets im Hinterkopf behalten, wie unsicher seine Position war. Mochte ihn hier vielleicht auch sein Schicksal erwarten – den Gouverneur interessierte das nicht. Hätte dieser geahnt, was im Kopf seines Leutnants vorging, würde er ihn darauf hingewiesen haben, dass Rooke kein Mann der Wissenschaft war, ein vielversprechender Astronom , sondern nichts weiter als einer von zahllosen Untertanen des Gouverneurs.
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Man konnte natürlich nicht erwarten, dass ein Observatorium am anderen Ende der Welt so stattlich und mit allem Komfort für einen Astronomen ausgestattet sein würde wie die Sternwarte von Greenwich. Die Minimallösung, die Rooke ersann, war ein kleiner Raum, der oben einen Kegel aus Holz und Segeltuch hatte, ähnlich einem Wigwam. Der Kegel müsste einen langen Spalt haben, um das Fernrohr ausfahren zu können, und die Spitze dürfte nicht ganz in der Mitte sein, damit man den Zenit im Blick hätte.
Auf seiner Skizze sah das Gebilde ziemlich merkwürdig aus, und es würde wohl auch merkwürdig aussehen, wenn es errichtet war, dachte Rooke. Es machte ihm jedoch große Freude, ein Observatorium nach der ursprünglichen Grundidee neu zu erfinden.
Major Wyatt vertrat die Meinung, man könne von ihm nicht erwarten, dass er jedermanns Grillen unterstütze – wobei er offen ließ, ob damit die Grillen des Leutnants oder die des Gouverneurs gemeint waren –, doch schließlich stellte er Rooke ein paar Männer zur Verfügung. Keuchend schleppten sie die Stangen und das Segeltuch für das Zelt, das Rookes provisorische Unterkunft werden sollte, das Bettgestell, den Tisch und die Kisten mit den Instrumenten die Anhöhe hinauf.
Als Rooke dem Zimmermann seine Skizze erläuterte, bezeichnete er den Wigwam etwas hochtrabend als »die Kuppel«. Er versuchte zu erklären, warum die Kegelspitze asymmetrisch sein musste, und verbreitete sich darüber, weshalb die Instrumente senkrecht nach oben ausgerichtet werden mussten. So sehr er sich auch um eine allgemeinverständliche Ausdrucksweise bemühte, nahm er dennoch einen erstaunten Ausdruck im Blick dieses Mannes wahr.
Damit sie schneller vorankamen, ging Rooke den Arbeitern zur Hand. Der Umgang mit einer Spitzhacke war gar nicht so einfach, stellte er fest, und von dem rauen Holzgriff bekam er Blasen an der Hand. Im Gegensatz zu den Sträflingen machte ihm die schwere körperliche Arbeit jedoch Spaß. Während er sich darauf konzentrierte, den Fels genau an der richtigen Stelle mit genau der richtigen Stärke in genau dem richtigen Winkel zu treffen, arbeitete er sich in einen angenehmen Zustand geistiger Leere hinein, in dem er an nichts zu denken brauchte.
Der Raum für die Observationen wurde oben auf der niedrigen Klippe errichtet, damit die Instrumente einen stabilen Felsuntergrund hatten. Die Hütte mit Rookes Wohnbereich wurde unterhalb davon gebaut und war durch Stufen, die in den Fels gehauen wurden, mit dem Observatorium verbunden. Für diese Stufen – die Skizze davon anzufertigen war so einfach gewesen – brauchten die Männer doppelt so lange wie für alles andere zusammen. Das war der Unterschied zwischen Euklids und der tatsächlichen Welt.
Weil es häufig regnete und die Männer zwischendurch zu anderen Pflichten
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