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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
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des Diplomaten: »Während wir uns hier unterhalten, sind Seine Exzellenz bereits am Überlegen, wie man am besten vorgehen soll«, sagte er. »Seine Exzellenz haben geruht, mich zu verschiedenen Alternativen nach meiner Meinung zu befragen. Ich versichere Ihnen, meine Herren, dass sich Seine Exzellenz eingehend mit der Sache auseinandersetzt und im Interesse jedes Einzelnen von uns handeln wird.«
    Rooke fing einen Blick Willsteads auf, der ihm gegenüber saß und die Augen verdrehte.
    »Die Frage ist nur, wann«, flüsterte er Rooke hinter vorgehaltener Hand zu. »Wie lange werden sie noch ungestraft herumlaufen, wie lange wird es noch dauern, bis der Gouverneur tut, was er schon vor Monaten hätte tun sollen?«
    Major Wyatt beschloss, diese Worte zur Kenntnis zu nehmen, und brüllte über den ganzen Tisch hinweg: »Leutnant Willstead, würden Sie bitte mit diesem Gerede aufhören und Ihre Zunge im Zaum halten?!«
    Lennox hatte sich weiter Gedanken darüber gemacht, was eine Muskete bewirken könnte. »Wäre doch eine ganz einfache Sache, ein paar von denen hier in der Siedlung zusammenzutreiben«, sagte er. »Um ein Exempel zu statuieren. Das würde sich unter den Übrigen schnell herumsprechen. Die stecken doch alle unter einer Decke.«
    »Man kann keinem von denen trauen«, sagte Willstead. »Alle ihre Angriffe sind hinterhältig gewesen. Sie lauern einem feige grinsend auf und greifen nur an, wenn das Opfer unbewaffnet ist. Ich möchte wetten, dass es in ihrem Wortschatz gar keinen Begriff für Heimtücke gibt.«
    Als der Ausdruck Wortschatz fiel, warf Silk Rooke einen bedeutsamen Blick zu, sagte aber nichts.
    Rooke hatte keine Ahnung, ob die Eingeborenen ein Wort für Heimtücke hatten. Seine Gespräche mit Tagaran waren nie in diese Richtung gegangen.
    Selbst im Englischen hatte das Wort Heimtücke einen größeren Bedeutungsspielraum, als eigentlich gerechtfertigt war. Im Grunde besagte es nichts weiter, als dass den in dieser Kaserne versammelten Männern beigebracht worden war, nach bestimmten Regeln zu kämpfen. Und wenn jemand nicht nach diesen Regeln kämpfte, war das Heimtücke.
    Man könnte das Verhalten der Eingeborenen auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten, dachte Rooke. Er stellte sich vor, wie Warungin es erklärte. In seinem Zuhause hatten sich ungebetene Gäste eingefunden. Anfangs waren sie ganz nett gewesen und hatten kleine Geschenke mitgebracht. Doch dann waren sie länger geblieben, als es sich für Besucher schickte, und hatten sein Zuhause nach ihrem Gutdünken umgestaltet.
    Rookes Großmutter hatte dafür einen Spruch parat gehabt: Besuch ist wie Fisch. Nach drei Tagen stinkt er .
    ✳
    Als Rooke am Spätnachmittag des darauffolgenden Tages an seinem Tisch saß, hörte er draußen auf einmal Schritte. Er sprang so schnell auf, dass der Stuhl umkippte. Um ein Haar wäre er kurz vor der Tür der Länge nach hingefallen. Aber es war nicht Tagaran.
    Ausnahmsweise einmal trug Silk eine ernste Miene zur Schau. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, trat er ein und setzte sich vor den Kamin.
    »Tja, Rooke«, sagte er. »Da werden wir wohl zu einer äußerst wichtigen Expedition ausrücken müssen.«
    Rooke beschäftigte sich angelegentlich damit, zwei Tassen mit Süßtee zu füllen.
    Silk beantwortete die Frage, die Rooke gar nicht gestellt hatte. »Nach Botany Bay«, sagte er. »Wo sie Brugden erwischt haben. Der Gouverneur hat mich heute Nachmittag zu sich gerufen. Es soll eine Strafexpedition organisiert werden, deren Leitung zu übernehmen ich die Ehre habe.«
    Rooke nahm ein Aufleuchten in Silks Augen wahr und etwas um die Mundwinkel herum, dass mit seinem ernsten Gebaren nicht übereinstimmte.
    »Gratuliere«, sagte Rooke und hob seine Tasse.
    »Danke, Rooke! Ich muss gestehen, dass es sehr schmeichelhaft ist, vom Gouverneur mit einer so wichtigen Unternehmung betraut zu werden.«
    »Carangaray. So heißt die Operation, stimmt’s? Nach dem Mann.«
    Rookes Stimme war ausdruckslos, doch er fühlte sein Herz heftig schlagen. Silk, der glaubte, Rooke wolle ihm mit seiner Tasse zuprosten, stieß mit seiner eigenen Tasse an.
    »Stimmt, Operation Carangaray, und die Anweisungen, die ich erhalten habe, sind ganz einfach. Wir sollen sechs dieser Eingeborenen aus dem Gebiet am oberen Rand der Botany Bay hierher bringen.«
    »Sechs Eingeborene? Nicht nur Carangaray?«
    »Unter uns gesagt, Rooke, eigentlich wollte der Gouverneur zehn Männer hierher bringen lassen. Ich wandte ein, dass sechs

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