Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
Vom Netzwerk:
sogar Brüder von Tagaran sein könnten . Konnte nicht sagen: Ich kann das nicht tun, weil ich Tagaran zu sehr mag .
    Zu sehr mag? Rooke stellte sich vor, wie Silk ihm diese Worte nachsprach. Du magst ein Eingeborenenmädchen so sehr, dass du ihretwegen einen Befehl verweigerst?
    »Bitte mich nicht darum mitzukommen«, sagte Rooke. »Weil du mein Freund bist, bitte mich nicht darum. Ich möchte dir nichts abschlagen, aber bitte mich nicht darum. Ich habe Freunde hier unter den Eingeborenen. Wie du weißt.«
    Silk räusperte sich.
    »Ja, ich bin, sagen wir, im Bilde. Aber denk daran, Rooke: Das ist keine Bitte, sondern ein Befehl.«
    Rooke sah in dem Sonnenstrahl Staubkörner hochschweben und wieder sinken. Staub schien gewichtslos zu sein, bis man ihn fallen sah.
    »Du weißt genauso gut wie ich, Rooke, dass sie sich in den Wäldern verstecken. Wir wissen doch beide, wie gut sie sich verstecken können. Ist es uns jemals gelungen, Eingeborene aufzuspüren, die nicht gefunden werden wollten?«
    Seine Miene war liebenswürdig, schmeichelnd.
    Silk hatte recht. Hinter Bäumen und Felsen versteckt, gut getarnt durch ihre dunkle Haut, die mit dem flirrenden Licht und den Schatten der Umgebung verschmolz, beobachteten sie die Weißen. Schon aus einer halben Meile Entfernung würden sie die dreißig durch den Wald stampfenden Männer hören, sechzig Füße, die Blätter und Zweige unter sich zertraten, sechzig Hände, die Sträucher zur Seite bogen, dreißig Kochgeschirre, die an dreißig Tornistern klapperten. Dazu noch die drei Offiziere. Drei weitere Tornister, sechs weitere Stiefel. Zwei davon seine eigenen.
    »Rooke, alter Knabe«, sagte Silk. »Du weißt, der Gouverneur muss in irgendeiner Form darauf reagieren, dass sie diesen armen Teufel mit einem Speer durchbohrt haben. Seinen eigenen Wildhüter! Dem Ärmsten steht ein qualvoller, langsamer Tod bevor. Der Gouverneur muss unbedingt Macht demonstrieren. Dreißig bewaffnete Männer! Glaubst du, er würde einen so großen Trupp abkommandieren, um eine Handvoll Eingeborener festzunehmen? Du könntest es einfach als eine Art Theater betrachten, Rooke.«
    Rooke konnte sich gut vorstellen, wie Warungin in geselliger Runde von den Weißen erzählte, die durch die Wälder gestolpert waren, während er unbemerkt hinter einem Baum gestanden und zugesehen hatte.
    »Ich weiß, du bist ein Mann mit Prinzipien, mein Freund, und dafür schätze ich dich«, sagte Silk. »Deine Skrupel sind dir hoch anzurechnen. Aber dies ist doch eine ganz einfache Sache: ein Zweitagesmarsch, und danach wird das Leben weitergehen wie zuvor.«
    Ohne Rookes Einwilligung abzuwarten, fuhr er fort: »Wir brechen am Mittwoch bei Sonnenaufgang auf. Ich werde einen Jungen herschicken, damit er dir deinen Proviant bringt und so weiter.«
    Silk ist einfach zu schnell, dachte Rooke. Silk war die breite Straße seiner Argumentation entlanggerannt und hatte keuchend und zufrieden das Ziel erreicht, während Rooke noch dastand und überlegte, wie man einen Fuß vor den anderen setzte.
    Silk griff nach seiner Hand und schüttelte sie.
    »Bist ein guter Kerl, Rooke. Also dann bis Mittwoch!«
    Und weg war er.
    ✳
    Es war Zeit für die abendlichen Messungen. Mit mechanischen Bewegungen führte Rooke seine Arbeit aus, ging zwischen dem jeweiligen Instrument und dem Eintragungsbuch hin und her, tauchte die Feder in die Tinte, trug die jeweilige Zahl in die entsprechende Spalte ein. Wind: S-S-W, 3 Knoten. Wetter: schön. Bemerkungen: keine .
    Er wünschte, Gardiner wäre jetzt hier. Seine Abwesenheit hatte eine schmerzliche Lücke hinterlassen. Er war der einzige Mann, dessen Rat Rooke vertrauen konnte. Was würde Gardiner sagen?
    Er erinnerte sich, wie Gardiner ihm damals grimmig beigepflichtet hatte, dass sie alle treue Untertanen der Krone seien. Danach hatte er den Befehl nie wieder erwähnt, der bei weitem der schlimmste war, den er jemals hatte ausführen müssen .
    Gardiner würde ihm in aller Deutlichkeit sagen, welche Folgen eine Befehlsverweigerung hatte. Rooke hatte dasselbe für ihn getan, hatte ihn daran erinnert, dass humanes Handeln und der Dienst für Seine Majestät nicht deckungsgleich waren.
    Es war ziemlich leicht gewesen, Gardiner etwas von Pflichterfüllung zu erzählen. Seine Worte mussten oberflächlich geklungen haben, dachte Rooke jetzt. Er wünschte, er könnte Gardiner sagen: Es tut mir leid, mein Freund. Was ich damals gesagt habe, war unbedacht .
    Bis zu diesem Punkt in seinem Leben hatte

Weitere Kostenlose Bücher