Australien 02 - Der Sternenleser
Männer ausreichen würden, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen, und der Gouverneur hatte die Güte, meiner Auffassung zuzustimmen.«
»Zehn Männer«, sagte Rooke. »Aha.«
Aber Silk hatte mit den Zahlen schon abgeschlossen.
»Als der Gouverneur mich fragte, wen ich mitnehmen möchte, habe ich deinen Namen natürlich als allerersten genannt. Du und Willstead und ich. Zwei Tage, dreißig Soldaten, doppelte Rationen.«
Rooke strich mit dem Finger über den Sprung in seiner Tasse. Er versuchte es sich vorzustellen: Eine durch den Wald marschierende lange Reihe von Männern, dreißig Mann und die Offiziere, doppelte Rationen in den auf den Rücken wippenden Tornistern, jeder Mann eine Muskete über der Schulter.
Er konnte das Bild vor seinem geistigen Auge sehen, konnte das Klappern des Kochgeschirrs hören, das Knacken der Zweige unter den stampfenden Füßen. Aber sich selbst konnte er nicht sehen. Er selbst als Mitglied dieses Trupps, den Kompass in der Hand, das Gewehr über der Schulter, war einfach undenkbar.
Daran erinnert zu werden, dass er Soldat war, ein Mann, der geschworen hatte, zu dienen und zu gehorchen, war wie das gewaltsame Öffnen einer Tür mit verrosteten Angeln.
»Nein«, brach es aus ihm hervor. Einmal ausgesprochen, schien es auch richtig zu sein. »Ich glaube nicht. Nein.«
Der Wind warf sich mit heftigen Stößen gegen die Hüttenwand und rüttelte an der Tür. Die Plane oben an der Observatoriumskuppel trommelte und knallte.
Silk kratzte an der weißgetünchten Wandlatte hinter sich herum. Ein weißes Farbplättchen löste sich, segelte aufleuchtend, als wollte es sich in Szene setzen, durch einen Strahl der untergehenden Sonne, der durch ein Loch in der Wand, wo der Lehm zwischen den Brettern ausgebröckelt war, in die Hütte fiel.
Er schien gar nicht gehört zu haben, dass Rooke etwas gesagt hatte.
»Der Gouverneur hat mich gefragt, welche Offiziere ich mitnehmen möchte. Ich nannte sie ihm. Rooke und Willstead.«
Er befeuchtete seinen Zeigefinger mit Spucke und klebte damit ein paar lose Farbplättchen wieder an.
»Verstehst du, Rooke? Ich habe ihm deinen Namen genannt.«
Der Sonnenstrahl fiel auf Silks scharlachrote Schulter, während sein Gesicht im Schatten lag.
»Nein ist keine Antwort, denke ich.«
Dreißig durch die Wälder marschierende Männer, den Blick auf die Füße und den Rücken des jeweiligen Vordermannes gerichtet. Während sich die Eingeborenen hinter Bäumen und Felsblöcken versteckten und sie beobachteten. Und kamara erblickten, Tagarans Freund, einer, in dessen Mund ihre Sprache Gestalt anzunehmen begonnen hatte und der mit geschulterter Muskete in dieser Reihe mitmarschierte.
Rooke fielen einfach nicht die richtigen Worte ein, mit denen er Silk hätte abwimmeln können.
»Ach übrigens, Silk«, rief er aus und merkte, dass seine Stimme etwas heftig klang, »ich habe herausgefunden, dass es in ihrer Sprache den Dualis gibt – wie im Griechischen! Sogar Dualpronomen, glaube ich, bin mir aber noch nicht ganz sicher, aber ich habe ein paar Beispiele notiert… Du und ich oder wir beide oder ich und die anderen, aber du nicht , alles mit einem einzigen Pronomen ausgedrückt! Während es im Englischen nur ganz grobe Unterscheidungen gibt! Stell dir das vor, Silk, ein Volk, das eine so nuancierte Sprache spricht wie die von Sophokles und Homer!«
Er redete sich in Begeisterung, und während er mit den Händen du und ich und wir beide , ich und die anderen, aber du nicht in die Luft malte, war seine Stimme immer lauter geworden.
»Ich bin höchst beeindruckt, Rooke«, sagte Silk. »Aber Sophokles und Homer sind hier nicht von Belang. Hier geht es darum, dass ich dem Gouverneur deinen Namen genannt habe. Er hat deinen Namen und er weiß, dass du der am besten geeignete Mann bist, um uns dorthin und wieder zurück zu führen, ohne dass wir in die Irre gehen. Na komm, Rooke, mach keinen Ärger. Wir brechen am Mittwoch auf, werden zwei Tage unterwegs sein, und danach wird es keine Speerwürfe auf unsere Männer mehr geben, wenn sie in den Wäldern ihren Aufgaben nachgehen.«
Ein langes Schweigen trat ein. Der Sonnenstrahl hatte sich bewegt, vielleicht war es aber auch Silks Schulter.
Rooke blickte auf seinen Fuß, bewegte die Spitze seines alten abgetragenen Schuhs hin und her, die dadurch abwechselnd in der Sonne und im Schatten war. Er konnte zu Silk nicht sagen: Ich kann das nicht tun, weil die Männer, die wir herbringen werden, Onkel, Vettern oder
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