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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
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feststopfte.
    Als die Gewehre schließlich schussbereit waren, hatten sich die Eingeborenen schon so weit entfernt, dass nicht einmal der Zufall zu einem Treffer hätte verhelfen können. Einer nach dem anderen feuerten die Männer die Gewehre ab, auch Rooke. Er zielte auf eine von dem Kanu weit entfernte glitzernde Stelle im Wasser und hoffte, sein Ziel ausnahmsweise einmal gut getroffen zu haben.
    Das letzte Kanu schaukelte in den hohen Wellen, die aus der Bucht hereinkamen. Während die Männer um ihn herum ihre Pulverhörner verstauten und sich die Gewehre wieder über die Schulter hängten, blickte Rooke dem Kanu nach.
    Im Heck drehte sich jemand um und blickte zurück. Die Entfernung war zu groß, um die Gesichtszüge erkennen zu können, doch es war eindeutig die Gestalt eines Kindes. Über das Wasser hinweg sahen Rooke und das Kind einander unverwandt an, während das Kanu auf und ab hüpfte und das Wasser auf den Paddeln glitzerte. Rooke musste an Tagaran und ihren gequälten Blick denken, als er eine imaginäre Muskete in Anschlag gebracht hatte.
    Silk wandte sich den Männern zu und redete so gelassen, als wäre alles genau nach Plan gelaufen.
    »Gut gemacht, Männer. Gut gemacht.«
    Rooke konnte sich nicht vorstellen, dass auch nur ein einziger der Männer ihm dieses Lob abnahm, aber keiner widersprach.
    »Aufstellung nehmen, bitte, wir werden jetzt zu der Stelle zurückkehren, an der wir Rast gemacht haben. Dort werden wir unser Nachtlager aufschlagen und morgen unsere Suche in südlicher Richtung fortsetzen.«
    Auf dem Rückweg am Strand entlang schlug der Trupp ein schnelles Tempo an. Rooke ging gemächlich hinterher. Schlagartig war der Nachmittag mild geworden, die vom Meer her wehende Brise streichelte ihm sanft die Wange.
    »Ein Eingeborener, Sir, ein Eingeborener im Wasser«, rief einer der Soldaten aus. »Da draußen im Wasser, Sir!«
    Rooke beschattete seine Augen mit der Hand, um auf dem flimmernden Wasser etwas erkennen zu können, und entdeckte in einiger Entfernung einen Fleck.
    »Nicht hinsehen«, rief Silk. »Mr. Willstead! Mr. Rooke! Wir gehen weiter den Strand entlang, wir bleiben auf keinen Fall stehen. Bitte gehen Sie weiter, den Blick geradeaus gerichtet, und tun Sie so, als würden Sie nichts sehen.«
    Willstead blinzelte immer noch aufs Wasser.
    »Nicht hinsehen, Willstead«, herrschte Silk ihn an. »Sie blicken ja immer noch dorthin, Mann. Los, weitergehen!«
    Doch Willstead nahm seine Muskete von der Schulter und stellte sie mit dem Kolben nach unten in den Sand. Er schien sich auf einen Streit einlassen zu wollen.
    »Sollen wir ihn denn nicht festnehmen?«
    »Aus dieser Entfernung können wir ihn weder fangen noch erschießen. Jegliche Versuche dieser Art würden einzig und allein die Wirkung haben, uns lächerlich zu machen. Wir gehen einfach weiter, ohne ihn merken zu lassen, dass wir ihn gesehen haben. Schnell, gehen Sie weiter, Mann!«
    Sie setzten sich wieder in Bewegung, doch Willstead blickte offenbar weiterhin in Richtung Wasser.
    »Er steuert direkt auf uns zu! Er will zu uns!«
    Tatsächlich – der Mann watete durchs Wasser geradewegs auf sie zu. Um schneller voranzukommen, drehte er den Oberkörper bei jedem Schritt leicht hin und her und hielt die Arme seitlich ausgestreckt, bemerkte Rooke.
    Jetzt konnten sie nicht mehr so tun, als sähen sie ihn nicht.
    »Halt!«, brüllte Silk. »Wir lassen ihn herkommen.« Er schwitzte, sein Gesicht war wächsern, seine verschlissene rote Jacke hatte dunkle Flecken unter den Achseln.
    So hatte sich Rooke eine Art Theater nicht vorgestellt.
    »Tut ihm nichts, Männer«, schrie Silk. »Nichts antun, verstanden? Er kommt voller Vertrauen auf uns zu, und es geht bei unserem Unternehmen nicht darum, Vertrauen zu missbrauchen, sondern nur darum, zu bestrafen.«
    Er strengte seine Stimme an, um das Rauschen des Windes in den Bäumen und der an den Strand schwappenden Wellen zu übertönen.
    »Aber Sir«, entgegnete Willstead. »Hat man uns nicht befohlen, männliche Eingeborene festzunehmen?«
    »Festnehmen ja, aber nur gewaltsam, Mann. Wozu sollte es gut sein, wenn der Eingeborene sich freiwillig festnehmen lässt? Das wäre keine Botschaft für die anderen.«
    »Wenn sie also wegrennen«, warf Willstead grimmig ein, »wenn sie wegrennen, dürfen wir sie festnehmen, bloß dass wir sie dann nicht kriegen. Wenn sie aber herkommen, sollen wir sie nicht festnehmen dürfen?«
    Die Soldaten, die ihm am nächsten standen, hörten diese Kritik,

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